Murphy & Co. – Wenn das Leben Regeln hat

Von Murphy bis Watzlawick:

Es ist 7:00 Uhr. Ich will diesen Artikel schreiben. Wirklich. Der Trockner piept. Jetzt? Ach ja, ich habe ihn vor einer Stunde angestellt. wie ein enttäuschter Lehrer. Draußen kommt Wind auf – um diese Uhrzeit?! Der große Regenschirm ist noch offen – das Schiebedach vermutlich auch …natürlich auch. Aus der Küche weht ein Geruch rüber, den ich nur mit »Timer-für-die-Brötchen-vergessen« beschreiben kann. Ich sitze da. Kaffee in der Hand. Stirn in Falten. Laptop an. Hirn aus.

Murphy lacht leise. Parkinson wartet ab. Hick steht immer noch verwirrt vorm Shampoo-Regal bei Rossmann. Und Pareto? Der hat nach 20 % direkt Feierabend gemacht.

Willkommen in meinem Leben – oder, wie Psychologen es nennen würden: Ein Experiment zur praktischen Anwendung sämtlicher Lebensgesetze, von Alltagsabsurd bis Denkverzerrt.

Murphys Gesetz – »Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.«

Murphy ist wie dieser eine Kumpel, der bei jeder Grillparty sagt: „Wird schon nicht regnen“ – und du weißt: Hol den Schirm. Du hast ’ne Deadline, dein Drucker weiß das – und beschließt deshalb, heute einfach mal nichts zu drucken. Oder du bist auf dem Weg zu einer Party und pladderst dir beim Vorglühen mit Freunden Rotwein-Irgendwas auf’s Hemd. Das ist Murphy. Der Typ liebt es, dich zu testen. Seine Devise: Wenn du nur eine Chance hast, dich in die Scheiße zu reiten, wirst du sie nutzen.

Beispiel? Sehr gerne:

Ich war auf dem Weg zu einer Beerdigung. Kurz vor der Umgehung dachte ich, ach, fahr doch eben noch schnell (!) in den Ort und halte kurz beim Schlachter. Während ich darüber nachdachte, erwischte mich der Blitzer, den ich vor der Umgehung gar nicht passiert hätte. Später gestand ich dem Göttergatten, dass ich Mett für 50 Tacken gekauft hätte. Er schaute mich fragend an.

Wenn du fest davon überzeugt bist, dass heute alles schiefgeht (weil Montag, weil Regen, weil du heute bemerkst, dass Restmüll gestern war), dann…

  • achtest du viel mehr auf alles, was NICHT klappt
  • interpretierst du neutrale Dinge als negativ
  • triffst du unbewusst Entscheidungen, die das Drama verstärken
  • vergisst du, dass dir auch fünf Sachen geglückt sind

Psychologische Begriffe, die Murphys Gesetz ähneln:

  1. Selbsterfüllende Prophezeiung:
    Deine Erwartung beeinflusst dein Verhalten – das Verhalten beeinflusst das Ergebnis – das Ergebnis bestätigt die Erwartung. (Klassiker!)
  2. Confirmation Bias (Bestätigungsfehler):
    Du nimmst nur das wahr, was deine Sichtweise bestätigt.
    Beispiel: Wenn du denkst, dass du ein Pechvogel bist, merkst du nur, wann du Pech hattest – und übersiehst die 9 glücklichen Zufälle.
  3. Negativity Bias:
    Wir erinnern uns viel stärker an Negatives. Wenn alles schiefgeht, brennt sich das richtig ein. Wenn alles klappt? Ist ja normal. (Spoiler: Ist es nicht!)

Zur Erklärung, »Bias« steht neudeutsch für Voreingenommenheit oder Verzerrung beim Denken, Entscheiden oder Beurteilen. Wie eine gedankliche – oft unbewusste – Abkürzung unseres Gehirns, was dazu führen kann, unfair oder falsch zu urteilen.

Manche sagen, Murphy ist ein mieser Pessimist. Aber was, wenn Murphy einfach nur als selbsterfüllende Prophezeiung in deinem Kopf wohnt? Denn oft funktioniert das Gesetz wie ein psychologischer Bumerang: Du denkst vielleicht, wenn du das Schlimmste voraussetzt, ist es für dich nicht so dramatisch, wenn es wirklich eintrifft. Wirklich? 

Also: Vielleicht geht nicht alles schief – vielleicht schaust du nur wie ein Trüffelschwein auf Fehlersuche. Und findest halt auch was. Logisch!

Parkinsons Gesetz – »Arbeit dehnt sich aus, um die zur Verfügung stehende Zeit auszufüllen.«

Heißt im Klartext: Wenn du drei Tage Zeit hast, eine E-Mail zu schreiben, brauchst du – Trommelwirbel – drei Tage. Wenn ich eine Woche Zeit habe, diesen Artikel zu schreiben, brauche ich… genau: eine Woche. Hätte ich nur zwei Stunden? Würde ich’s auch schaffen. Mit mehr Kaffee. Und Verzweiflung.

Beispiel? Sehr gerne:

Ich wollte diesen Artikel schreiben. Hatte fünf Tage Zeit. Habe an Tag vier die Überschrift gewählt, an Tag fünf den Artikel inklusive Zwischenüberschriften, Titelbild, Fazit und Yoast fertig gestellt. Klassiker.

Das Parkinsonsche Gesetz ist quasi der inoffizielle Ehrenpräsident des Prokrastinier-Clubs. Man könnte sogar sagen: Ich lege mich jetzt mal fest: Parkinsons Gesetz IST Prokrastination – nur mit Krawatte und wissenschaftlichem Titel.

Warum das zusammengehört?

  • Parkinsons Gesetz erklärt das „Warum“:
    Mehr Zeit = mehr Aufschieben = mehr künstlicher Stress.
  • Prokrastination ist das „Wie“:
    Statt direkt loszulegen, füllen wir die Zeit mit der Trockner piept, Insta, Nachricht von YouTube, Staub auf dem Regal, Excel-Farbcode optimieren … endlos!

Parkinsons Gesetz gibt dir Zeit – und Prokrastination klaut sie dir wieder. Sie sind das chaotische Duo der Deadline-Dramaturgie. Du denkst, du brauchst viel Zeit für viel Arbeit. Dabei brauchst du meistens nur einen Grund, anzufangen. Du willst schon lange den Keller – dein Endgegner – entrümpeln. Plötzlich steht die Mulde auf dem Hof und kostet jeden Tag Geld.

🧘‍♀️ Fun Fact: Wenn du dir statt „Ich hab‘ eine Woche Zeit“ einfach sagst „Ich mach’s in zwei Stunden“, passiert oft Magie. (Oder zumindest das Wichtigste.)

Pareto-Prinzip –  die famose 80/20 Regel

Kurz gesagt: »Investiere 20 % Einsatz, sack 80 % Ergebnis ein.« Klingt wie ein Hack, ist aber eigentlich nur gesunder Opportunismus für Leute mit wenig Zeit und viel Humor.

Pareto hilft dir, deine Energie dahin zu lenken, wo’s zählt. Oder wie ich es nenne: Effizienz für faule Genies. Du willst, dass’s richtig gut wird? Fang mit dem wichtigsten 20 % an. Der Rest ist meistens Kür – oder Deko. 

Beispiel? Sehr gerne:

Backen? Katastrophe. Aber ich kann eine Tiefkühl-Torte auf Zimmertemperatur zu bringen – jawohl! Jeder soll eben das tun, was er am wenigsten schlecht kann. Genau hier kommt Pareto ins Spiel: Ich investiere 20 % Energie ins Auftauen(also aus der Verpackung nehmen, auf einen Teller drapieren und den Müll entsorgen) und bekomme 80 % »Boah‑du‑hast‑selbst‑gebacken?!«-Credit zurück. Win‑win, solange niemand genauer hinschaut. Statt 4 Stunden Putzen → 20 Minuten Küche & Klo = Gäste denken: »Wow, aufgeräumt!«

Kurzum: Es ist völlig ok, strategisch faul zu sein. Ballere deine 20 % Power dahin, wo man sie sieht, und lass die restlichen 80 % im Dunkel des »mach ich irgendwann« verschwinden. Oder um es mit meiner Tiefkühl‑Torten‑Philosophie zu sagen: Hauptsache, die Torte schmeckt. 

Hick’s Gesetz – Wenn dein Gehirn einfach »NÖ« sagt

Kennst du das? Du willst nur neuen Fußboden. Einfach. Boden. Zum Drauftreten. Drei Wochen später liegst du bäuchlinks im Baumarkt und hämmerst mit den Fäusten auf den (Beton) Boden, weil du dich nicht zwischen Eiche klickverlegt in Fischgrätoptik mit rustikalem Touch und betongrauem Design-Vinyl im Industrie-Style entscheiden kannst. Willkommen in der Hölle von Hick’s Gesetz. Dein Gehirn? Dreht durch. Wartet auf eine Eingebung, ein Zeichen bei zu viel Auswahl. Das nennt man Entscheidungsparalyse. Je mehr Optionen, desto schwerer die Entscheidung oder die Angst, die Falsche zu treffen.

Hick sagt: Je mehr Optionen, desto langsamer (und schmerzhafter) wird die Entscheidung. Und irgendwann bist du so erschöpft, dass du aufgibst und einfach den alten Teppich behältst – »ist ja noch gut« (Spoiler: ist er nicht).

Beispiel? Sehr gerne:

Im Restaurant: Ich will nur was essen. Die Karte hat zehn Seiten. Salat, Pizza, Pasta, Fisch, Fleisch, Überbackenes (eher nicht!). Mein Gehirn? Eigentlich habe ich gar keinen Hunger, oder? Kennst du das? Bevor du selbst bestellst, fragst du erst mal die anderen, was die so nehmen. Und wenn jemand nur die Nummer sagt, schlägst du sofort in der Karte nach, was das ist. Warum? Psychologisch nennt man das sozial adaptives Fluchtverhalten. Ja, Freunde der Sonne – ich hab mich da mal schlau gemacht🧐.

  • Choice Overload: Zu viele Entscheidungen machen unzufriedener – selbst, wenn du objektiv das Beste gewählt hast. Es ist das traurige Paradoxon des »Was wäre gewesen, wenn ich das Ahorn-Parkett genommen hätte?«
  • Fear of Missing Out (FOMO): Du entscheidest dich nicht für etwas, sondern gegen alle anderen Optionen. Das fühlt sich manchmal schlimmer an, als keine Entscheidung zu treffen.
  • Entscheidungsmüdigkeit: Wenn du morgens schon 14 Mikroentscheidungen treffen musstest (Welche Schuhe? Welche Tasse? Deo? Apfel oder Banane? Frischkäse oder Wurst?), hat dein Gehirn ab mittags nur noch einen Gedanken: »Mach einfach, ich will nicht mehr.«

An alle Hicksianer da draußen: Weniger ist mehr. Entscheidung = gut. Zuviel Auswahl = mentale Grütze. Also: Begrenz deine Optionen bewusst. Zwei bis drei Varianten reichen.

Falklands Gesetz – »Wenn eine Entscheidung nicht dringend ist, wird sie meist nie getroffen.«

Wenn’s nicht brennt, bleibt’s liegen. Wie oft wolltest du schon deinen Handyvertrag wechseln, die Sockenschublade ausmisten oder anfangen, Spanisch zu lernen, den Stromanbieter wechseln oder deine Rentenversicherung vergleichen lassen? Eben. Unser Gehirn liebt Sofortgewinne – und hasst vage Langfristdinge ohne Deadline.

»Present Bias« – wir bevorzugen sofortige Belohnung und vermeiden alles, was nicht auf der Seele brennt. Und selbst dann gucken wir erstmal, ob’s nicht vielleicht nur Rauch ist.

Solange die Entscheidung keine Konsequenzen hat, wird sie… verdrängt. Verbannt. Vergessen. Du siehst dich nicht als Teil des Problems.

Beispiel? Sehr gerne:

Neulich hab ich eine To-do-Liste aus dem Jahr 2020 gefunden. Ein Relikt aus einer Zeit, in der ich dachte, ich hätte Dinge im Griff – mit Listen. Ein paar Punkte hab ich tatsächlich erledigt – irgendwie. Andere… nun ja, ich hab sie offenbar komplett ignoriert. Was mich zu der Frage bringt:Warum zur Hölle hab ich diese Liste überhaupt geschrieben, wenn sie mir offensichtlich völlig egal war?

Vielleicht hätte ich sie ausdrucken und an die Pinnwand hängen sollen. Oder laminiert als Schnippelunterlage benutzen sollen? Dann wär sie wenigstens nützlich gewesen.

Fun Fact: Auf der Liste stand „Wohnzimmer streichen“.
2020 wusste ich noch nicht, dass wir irgendwann umbauen würden.
Aber vielleicht… hab ich’s geahnt? Vielleicht war mein Unterbewusstsein schon in der Zukunft – nur mein Körper hat lieber auf dem Sofa gelegen und Netflix bemüht.

Jedenfalls weiß ich jetzt: Ich bin nicht faul. Ich bin einfach visionär…
…mit sehr selektivem Gedächtnis.

Watzlawicks Axiom – »Man kann nicht nicht kommunizieren.«

Du sagst nichts? Tja, auch das sagt was. Deine Körperhaltung, dein Blick, dein Seufzen, dein Schweigen, so laut, dass es noch drei Straßen weiter zu hören ist – alles Kommunikation.

„Alles gut?“
„Ja.“
(Spoiler: Natürlich NICHT!)

Kommunikation ist nicht nur was du sagst, sondern wie du es sagst – oder eben nicht sagst. Und dein Gegenüber? Interpretiert. Immer. Meist falsch. Willkommen im Kommunikationskuddelmuddel! Zielführend wie zwei Tage Kreisverkehr.

Was hilft? Ehrlich sein, auch wenn’s peinlich wird. Sag, was du meinst, statt innerlich »Rate mal, warum ich schmolle« spielen. Oder bewusstes Schweigen. Denn selbst dein Seufzer ist eine Nachricht. (Manchmal sogar die deutlichste.)

Let-Them-Theorie – »Lass sie einfach machen.«

Du kennst sie: Die Menschen, die dich ghosten, dann plötzlich wieder schreiben, aber nur, wenn sie was brauchen. Oder die, die grundsätzlich immer einen draufsetzen müssen – du sagst »Ich hatte Magen-Darm«, sie sagen »Ich hab tagelang auf dem Klo gehockt und drei Wochen keine feste Nahrung zu mir nehmen können. Alles kam sofort wieder raus! Oben und unten! Ich sag nur C-Rohr – aber hab trotzdem Home-Office gemacht.«
Früher hättest du dich aufgeregt. Energie verbrannt, Puls auf 180, Google gefragt: »Wie mit toxischen Menschen umgehen?«

Heute? Let them. Lass sie machen. Ghosten? Dann halt Boo. Egotrip? Viel Spaß auf deinem Solo-Monolog.

Denn: Manchmal ist nicht reagieren die stärkste Reaktion.
Loslassen ist kein Aufgeben – es ist ein stilles Mic Drop.

Diese Methode ist Zen für Menschen mit Restnerven.
Und weil ich dazu demnächst noch ein Buch lese (Danke, Lena!), werde ich das Thema nochmal ausführlich aufgreifen – mit Tiefgang, Literaturbezug und möglicherweise passiv-aggressiv.

Fazit

Diese kleinen Lebensgesetze sind wie diese Freunde, die dich nerven – aber meist recht haben:

  • Murphy zeigt dir, dass du vorsorgen solltest.
  • Parkinson erinnert dich, dass Deadlines dein Freund sind.
  • Pareto will, dass du clever statt krampfhaft arbeitest.
  • Hick ruft: „Weniger ist mehr.“
  • Falkland sagt: „Mach’s jetzt – oder nie.“
  • Watzlawick grinst und flüstert: „Du redest, auch wenn du schweigst.“
  • Let-Them nickt dir zu und sagt: „Kümmer dich um deinen Kram. Nicht um jeden.“

Du kannst nicht alles kontrollieren. Aber du kannst dich entscheiden, wie du reagierst. Und das ist oft schon die halbe Miete.

PS: Du hast’s bis hierher geschafft. Wahrscheinlich in 20 % der Zeit, die du fürs „Arbeiten“ geblockt hattest. Gut gemacht, Pareto wäre stolz.

4 Kommentare

  1. Was für ein großartiger Text, liebe Kerstin! Mit so viel Witz, ehrlicher Selbstironie und augenzwinkernden Beispielen hast du die kleinen und großen Lebensgesetze herrlich alltagsnah erklärt. Besonders mag ich, wie du zeigst, dass zwischen Murphy, Pareto & Co. oft mehr Lebenskunst als Katastrophenstimmung steckt – und dass ein bisschen Gelassenheit im Chaos oft der beste Begleiter ist. Deine Analogien treffen genau den Nerv, und ich musste mehrfach schmunzeln (besonders bei der Tiefkühltorte!). Vielen Dank für diese ermutigende Erinnerung, nicht jede Panne zu dramatisieren und öfter einfach zu sagen: „Let them!“ Ich freue mich schon auf weitere Einblicke in dein Leben mit all diesen sympathisch-nervigen Gesetzeskumpeln

    1. Hey Kira! Wie schön ist bitte dieser Kommentar?! 😍 Ich hab ihn dreimal gelesen – einmal zum Freuen, einmal zum Stolzsein und einmal zum „Screenshot und an meine innere Kritikerin schicken“.
      Wenn mir jemand gesagt hätte, dass Tiefkühltorten, Murphy & ein E-Bike mal zusammen in einem Text Lebenskunst erklären, hätte ich gesagt: Ja nee, is klar! 😂
      Ein „Let them!“ ist manchmal die beste Reaktion – ich lese gerade das Buch. 🧘‍♀️
      Ich schick dir eine virtuelle Portion Gelassenheit und eine Gabel für die nächste metaphorische Torte! 🍰

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