Sind wir Gestalter unseres Lebens oder nur Spielball der Umstände? Shakespeare hat diese Frage schon vor Jahrhunderten gestellt – und sie ist heute aktueller denn je. Zwischen Alltag, Zufall und Entscheidung: ein augenzwinkernder Blick auf den Tanz zwischen freiem Willen und Schicksal.
Zwischen Latte Macchiato und Lebensplan – haben wir wirklich freien Willen?
Letzte Woche ist mir zweimal dasselbe Zitat von Shakespeare begegnet. Letzten Montag im Podcast »Verbrechen von Nebenan« – und dann, ganz unerwartet, gestern in der Serie »Maxton Hall« auf Prime (ja, die mit den schönen Menschen, schönen Gebäuden und ganz viel Tränen und Intrigen). In einer Szene wurde im Unterricht auch über die große Frage diskutiert, ob wir wirklich einen freien Willen haben oder ob das Leben längst sein eigenes Drehbuch schreibt.
Seitdem lässt mich dieser Gedanke (und Shakespeare an sich) nicht mehr los. Manchmal sitze ich morgens mit meinem Notizbuch im Bett, schreibe und frage mich: Wie viel von dem, was heute passiert, liegt wirklich in meiner Hand? War es Zufall, dass ich gestern genau diesen Menschen getroffen habe – oder Teil eines Plans, von dem ich nichts weiß? Und wenn ja, wer schreibt dann eigentlich die Regieanweisungen?
Vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht, dass ich morgens noch nicht weiß, was der Tag bringt. Ich stelle mir vor, wie langweilig das Leben wäre, wenn ich schon wüsste, welche Türen sich heute öffnen – und welche zufallen.
»Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als eure Schulweisheit sich träumen lässt.«
– William Shakespeare, Hamlet
Wenn Ausreden als Schicksal getarnt sind
»Die Schuld liegt nicht in den Sternen, sondern in uns selbst.« – dieser Satz stammt aus Julius Cäsar und klingt wie ein Wandtattoo, das man bei Depot kaufen könnte. Trotzdem steckt darin eine unbequeme Wahrheit.
Wie oft schieben wir Entscheidungen auf »die Umstände«? Auf das Wetter, auf den Chef, auf die Ampel, auf die Laune des Tages?
Du willst seit Wochen wieder joggen gehen, hast dir sogar ein neues Funktionsshirt gegönnt – aber dann regnet’s, dein Chef hat dir den letzten Nerv geraubt, und die Sportklamotten liegen noch im Wäschekorb. Zack: »Heute sollte es wohl einfach nicht sein.« Klingt harmlos, aber genau hier beginnt das leise Rutschen in die Passivität. Nicht das Universum hält dich zurück – du selbst tust es.
Es ist nämlich so bequem, das Schicksal als Sündenbock zu nehmen. Dann müssen wir nicht selbst Verantwortung übernehmen. Wir können sagen: «Kann man halt nix machen. Is eben so.» Nur blöd, dass das Leben dann meistens nickt und sagt: »Na gut, wenn du meinst. Selbst schuld.«
»Die Schuld, lieber Brutus, liegt nicht in unseren Sternen, sondern in uns selbst, dass wir Untertanen sind.«
– William Shakespeare, Julius Cäsar
Wenn das Leben plötzlich dazwischengrätscht
Und dann gibt es die anderen Tage – die, an denen das Leben einfach den Ball wegschnappt und in eine andere Richtung wirft.

Job futsch, Beziehung vorbei, Plan A geplatzt, Plan B nicht vorhanden. Gerade gestern hat ein Rippenbruch bei Tim alle unsere Wochenpläne zerlegt. Nichts mehr mit »Ich zieh mal eben die Wand hoch« oder »Ich baggere noch den Graben für die Leitung« oder »Ich hol schnell noch die Einstreu mit dem Hänger«. Stattdessen: Couch, Schmerzmittel und die Erkenntnis, dass selbst die stabilste Planung keine Chance gegen einen unglücklichen Sturz hat.
Das sind die Momente, in denen sich »freier Wille« fast zynisch anfühlt. Als könnten wir uns einfach beschließen, glücklich zu sein, während das Leben uns den nassen Waschlappen der Realität ins Gesicht klatscht. Und doch steckt in solchen Situationen manchmal auch ein Hinweis: Vielleicht ist das Leben gar nicht gegen uns – vielleicht will es uns nur woanders hinschubsen.
»Unsere Pläne und das Schicksal laufen so gegeneinander, dass alles, was wir ausdenken, oft zerfällt.«
– William Shakespeare, Heinrich IV.
Zwischen Zufall und Entscheidung
Das Leben ist kein Kampf zwischen freiem Willen und Schicksal. Es ist vielmehr ein Zusammenspiel. Mal führst du, mal wirst du geführt – ob bemerkt oder unbemerkt. Du wählst deinen Beruf, aber nicht die Menschen, die dir dort begegnen. Du brauchst Mut für eine Entscheidung und die Erkenntnis, nicht alles bestimmen zu können.
Du triffst spontan eine alte Freundin im Supermarkt. Eigentlich wolltest du schon nach Hause. Doch ihr plaudert, geht spontan einen Kaffee trinken – und plötzlich entsteht daraus ein neues Projekt, eine Idee, vielleicht ein kleiner Wendepunkt. War das Zufall? Fügung? Oder das Ergebnis all Deiner Entscheidungen, bis zu diesem Moment?
Ein Paradebeispiel dafür ist der Sliding-Door-Effekt.
So wie bei Steve Boed: Er ging ins Fitnessstudio, wusste nicht, in welchen Kurs er sollte – bis sich zufällig die Tür zum Zumba-Kurs öffnete. Die Trainerin winkte ihn rein, Steve machte spontan mit, und tanzte sich nicht nur glücklich, sondern direkt in eine sagenhafte Karriere.
Oder bei mir: Beim Dorfpokalschießen (ja, das ist so ländlich, wie es klingt) erwähnte ich ganz nebenbei, dass ich die Zumba-Ausbildung machen werde. Zufällig stand Katrin Beckmann, die Inhaberin einer Physiopraxis, neben mir. Drei Minuten später hatte ich einen Job. Manchmal öffnet sich also wortwörtlich eine Tür – und man muss nur durchgehen (auch wenn man Angst davor hat). In diesem Artikel habe ich darüber geschrieben, wie ich fast unfreiwillig Zumba-Instructor wurde.
»Der Lauf des Schicksals hängt von Kleinigkeiten ab.«
– frei nach William Shakespeare
Frei wählen – oder doch nur schlau manipuliert?
Aber wie frei sind unsere Entscheidungen wirklich? Wenn wir ehrlich sind, ist unser »freier Wille« oft ein sehr beeinflussbarer Mitbewohner. Wir werden täglich mit Werbung, Angeboten und Algorithmen bombardiert – und glauben trotzdem, wir hätten alles selbst entschieden.
Wer ist nicht schon mal »gegen seinen Willen« bei McDonald’s gelandet – obwohl man nur mal eben kurz auf die Toilette wollte? Und plötzlich steht man mit Chicken Nuggets in der Hand da. Oder diese Dubai-Schokolade, die strategisch an der Supermarktkasse liegt. Ich hab sie natürlich nicht gekauft, aber ich habe Menschen dabei beobachtet. Ich kaufe grundsätzlich nichts, das ein Dubai-Label trägt. Auch keinen Urlaub dorthin. Oder die Lotto-Spieler, die vom großen Glück träumen – und es dann bekommen. Nur um festzustellen, dass Millionen nicht automatisch glücklich machen, sondern manchmal nur die Probleme teurer werden und sie am Ende wieder alles verloren haben.
Vielleicht ist unser freier Wille also gar nicht so frei, wie wir denken – eher so ein Wille mit Bonuspunkten und personalisierter Werbung. Sashka hat dazu ein interessantes Video mit dem Titel »Fett im Geschäft – wie Influencer sich fürs Fasst Food verscherbeln« gedreht.
»Es ist nicht in den Sternen verzeichnet, was wir tun; wir schreiben unser Schicksal selbst.«
– William Shakespeare (sinngemäß aus Julius Cäsar)
Wenn Umstände zur Einladung werden
Vielleicht geht’s gar nicht darum, den Umständen zu entkommen, sondern sie als Einladung zu sehen. Der nervende Chef, dem niemals ein Lob über die Lippen kommt (kein »Gut gemacht« sondern »Dafür wirst du schließlich bezahlt«)? Vielleicht Zeit für was Neues. Der Stau hält dich auf? Vielleicht bekommst du einfach fünf Minuten mehr Podcast-Zeit. Die Absage tut weh? Dann war’s wohl kein Ende, sondern ein Platzhalter für etwas Besseres.
Ja, ich weiß – klingt schon wieder nach Kalenderblatt oder Wandtattoo. Freier Wille bedeutet nicht, alles kontrollieren zu können – sondern bewusst zu reagieren, wenn das Leben dir wieder ein Stock in die Speichen steckt.
»Es gibt nichts Gutes oder Böses, nur das Denken macht es so.«
– William Shakespeare, Hamlet
Fazit: Wir sind beides
Das Leben formt uns – und wir formen es zurück. Und vielleicht ist genau das der Sinn: Nicht die völlige Kontrolle zu suchen, sondern das bewusste Mitgestalten.
Oder, um es mit dem Motto von Christians Party zu sagen:
Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade draus – oder gleich einen Gin Tonic. 🍋🥂
Und jeden Morgen frage ich mich aufs Neue:
Wie viel liegt heute wohl wirklich in meiner Hand – und wenn ja, wie viele?
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