Füllwörter oder der Quasi-Modus

Es ist, theoretisch gesehen, mehr oder weniger nachvollziehbar, dass man – also rein kommunikativ betrachtet – gelegentlich gewissermaßen dazu neigt, sich, sozusagen, eher vorsichtig auszudrücken. Praktisch jeder kennt das: Im Grunde weiß man, was man sagen möchte, aber irgendwie – unter Berücksichtigung verschiedenster Faktoren – verlässt man sich dann doch lieber auf ein paar kleine Worte, die, na ja, nicht so richtig weh tun. Willkommen in der Welt der Füllwörter!

Warum benutzen wir ständig Füllwörter für Sachverhalte, die klar sind? Warum neigen wir zur Verschwammung, zur Relativierung von offensichtlichen Tatsachen? Der Quasi-Modus – die Kunst, sich nicht festzulegen. Oder reden wir schon über Notlügen mit Schleifchen?

Die kleinen Wörter. Höflichen Platzhalter. Die gesichtswahrenden Weichzeichner unserer Alltagssprache. Sie machen aus »Ich mag das nicht« ein »Also ich weiß nicht, irgendwie ist das jetzt vielleicht nicht so ganz mein Geschmack, glaube ich.«

Der Quasi-Modus: Leben auf der sprachlichen Ausweichspur

Warum sagen wir nicht einfach, was Sache ist? Warum benutzen wir sprachliche Wattepads, wenn wir auch direkt mit einem scharfen Besen durchfegen könnten? Die Antwort ist einfach: Weil wir höflich sein wollen. Oder konfliktscheu. Oder einfach nur zu nett, um zu sagen: »Dein neuer Haarschnitt sieht aus wie eine verlorene Wette.«

Und ganz ehrlich? Ich habe nichts gegen Notlügen! Im Gegenteil – sie retten Leben!

In meinen Texten versuche ich, Füllwörter, die sich eingeschlichen haben, zu eliminieren, denn sie haben dort nichts verloren. Null. Nada. Rien. Sie wie ein nerviger Gesprächspartner, der sich ständig räuspert, aber nie auf den Punkt kommt. Ich will nicht höflich sein – ich will unterhalten, informieren und im besten Fall begeistern – aber nicht klingen wie Tante Gerda beim dritten Stück Schwarzwälder Kirschtorte: »Also ich will ja nichts sagen, aber…« Halt die Fresse!

Klassiker der Füllwort-Verschleierung

Ein klarer Satz sagt: »So ist es.« Ein füllwortverliebter Satz sagt: »Also, wie gesagt, ich bin mir da nicht so ganz sicher, aber ich denke, möglicherweise könnte es in gewisser Weise eventuell so sein… oder eben nicht.« Na danke!

Hier ein paar beliebte Füllsatz-Kunstwerke, die wir alle kennen:

Klartext: »Du langweilst mich zu Tode.«

Smalltalk-Version: »Du hast wirklich eine ganz besondere Energie – die ist einfach… sehr präsent. Man kann dich gar nicht übersehen. Vermutlich liegt es an mir, aber mir fehlt trotzdem ein bißchen die Spannung, weißt du?«


Klartext: »Du bist komplett auf dem Holzweg und merkst es nicht!«,

Smalltalk-Version: »Also, um ganz ehrlich zu sein – wobei ich natürlich deine Meinung respektiere – sehe ich das eventuell ein kleines bisschen anders. Aber ich verstehe natürlich total, dass du da deine ganz eigene, ähm, sehr gefestigte Sichtweise hast.«


Klartext: »Der Salat schmeckt muffig und du weißt genau, dass ich Oliven hasse.« 

Smalltalk-Version: » Also, ich finde, das Gericht hat so einen recht… interessanten Eigengeschmack – und ich bin mir nicht ganz sicher, ob das jetzt so ganz meinen persönlichen Vorlieben entspricht. Und du weißt ja, dass Oliven und ich irgendwie, na ja… eher ein schwieriges Verhältnis haben.«


Klartext: »Es ist mir egal, dass die Flasche 35€ gekostet hat. Ohne Wasser kriege ich Sodbrennen davon.«

Smalltalk-Version: »Der Wein hat eine sehr kraftvolle Note – aber mein Magen reagiert da mit einer gewissen Sensibilität. Ein Spritzer Wasser sorgt da bei mir meist für ein harmonischeres Gesamtbild. Versteh mich nicht falsch, ich finde es natürlich beeindruckend, dass du dich da so gut auskennst – gerade was exklusive Weine betrifft.«


Klartext: »Diese Klamotte steht dir überhaupt nicht. Auch wenn sie gerade total angesagt ist, solltest du bei deinen Voraussetzungen nicht jeder Mode nachjagen«.

Smalltalk-Version: »Also, das Outfit ist auf jeden Fall ein mutiges Statement – und ich kann total nachvollziehen, dass das gerade super im Trend ist – aber ich frage mich ein kleines bisschen, ob es wirklich so ganz optimal zu deinem Typ passt… vielleicht.«


Klartext: »Hau endlich ab, du Arsch.«

Smalltalk-Version:  »Also, ich habe das Gefühl, es wäre jetzt vielleicht ein ganz guter Moment, um den Abend vielleicht individuell ausklingen zu lassen – ganz achtsam, jeder für sich, versteht sich.«


Klartext: »Hör auf zu labern, Klugscheißer«

Smalltalk-Version:  »Ich bewundere wirklich, wie du es schaffst, verschiedene Perspektiven einzubinden – auch wenn die inhaltliche Linie manchmal, sagen wir mal, eher kreativ interpretiert wirkt. Immerhin eröffnet sie eröffnet völlig neue Sichtweisen. Auch wenn ich persönlich vielleicht einen etwas anderen Zugang zu dem Thema hätte.«


Klartext: »Von wegen keine Zeit – du bist einfach nur faul!«

Smalltalk-Version: »Ich frage mich ehrlich gesagt, ob es wirklich ausschließlich an deinem eng getakteten Kalender liegt – oder ob da vielleicht auch eine gewisse Form von… sagen wir mal… kreativ gelebter Prioritätensetzung mit reinspielt.


Klartext: »Das war grottig.«

Smalltalk-Version: »Da ist zwar noch Luft nach oben – aber ich finde es klasse, dass du dich da so reingefuchst hast. Ein super erster Wurf – lass uns das nochmal im Team reflektieren.«

Wortkosmetik aus dem Alltag

Hier kommen ein paar meiner absoluten Lieblingssätze, bei denen wir alle wissen, was gemeint ist:

»Ich bin im Moment einfach super ausgelastet – total viel los gerade…«
Übersetzt: »Ich habe Zeit. Nur nicht für dich. Und wenn ich ehrlich bin, räume ich lieber meine Besteckschublade um, als dich zu treffen.«

»Ich hab deine Nachricht irgendwie gar nicht mehr richtig gesehen… war alles so durcheinander!«
Übersetzt: »Ich hab sie gelesen, draufgeklickt, Augen verdreht, Handy weggelegt. In der Reihenfolge.«

»Das klingt grundsätzlich nach einer spannenden Idee – ich muss nur nochmal schauen, wie ich das unterbekomme.«
Übersetzt: »No way! Ich würde eher eine Steuererklärung auf Altgriechisch schreiben als das mitzumachen.«

»Also das ist auf jeden Fall ein sehr mutiger Look! Und ich liebe ja, wenn Leute sich was trauen. Es ist einfach… anders. Unkonventionell.«
Übersetzt: »Du siehst aus wie ein Pinterest-Fail, aber ich will nicht die Erste sein, die’s sagt.«

»Ich meld mich bei dir, wenn sich bei mir was entspannt hat!«
Übersetzt: »Sobald der Mars rückläufig ist, die Schweine fliegen und Oliven plötzlich plötzlich zu meiner Lieblings-Steinfrucht mutieren. Sprich: Nie.«

Fazit

Weniger ist mehr. Wirklich. Ganz ehrlich. Echt jetzt. Ich hab nichts gegen Höflichkeitsrhetorik im Alltag. Manchmal braucht es eine sprachliche Einpackhilfe, damit man seinem Gegenüber nicht versehentlich die Meinung wie einen nassen Waschlappen ins Gesicht klatscht.

Aber in meinen Texten? Da ist Klarheit keine Beleidigung – sondern ein Kompliment an meine Leserschaft! Ich hab diesen Text dreimal überarbeitet, weil ich dachte: »Vielleicht sollte ich das noch ein kleines bisschen entschärfen…?«

Nöp.

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