Was ich früher werden wollte

Nachdem ich lesen gelernt hatte, wollte ich auch schreiben. Keine stumpfen Schreibübungen, keine langweilige Grammatik lernen, keine nervigen Diktate, nein, ich wollte Geschichten schreiben. 

Meine Leidenschaft für Bücher

Jede Woche bekam ich eine D-Mark Taschengeld, die ich gespart habe, um mir am Ende des Monats ein Buch kaufen zu können. Ich schwang mich also auf mein Fahrrad und fuhr ins Nachbardorf zum Schreibwarenladen Hogreve. Bei uns im Dorf gab es nur einen Schlachter und einen Tante-Emma-Laden, die Bäckerei Knake, der genauso aussah, wie der Laden in Loriots ‚Pappa ante portas – »Mein Name ist Lohse, ich kaufe hier ein!«. Die Leute hinterm Tresen hatten auch erstaunliche Ähnlichkeit 😄.  

Lesend auf dem Fahrrad und unter dem Esstisch

Freihändig, mit dem Buch vor der Nase, fuhr ich dann lesend wieder nach Hause. Wenn ich zu Weihnachten Bücher bekam, verzog ich mich nach der Bescherung immer unter den Esstisch, um meine Ruhe zu haben. Damals musste ich mir nämlich ein Zimmer mit meinem ein Jahr älteren Bruder teilen. Selbstverständlich wäre ich tausendmal lieber auf ein Internat gegangen wie die Hanni und Nanni oder Dolly.

Das nennt man wohl zerlesen 😅, oder?

Downgrade – oder der Ferien-Kompromiss

Nach der Grundschule musste ich trotz Empfehlung fürs Gymnasium auf die Orientierungsstufe. Warum? Das nächstgelegene Gymnasium lag in NRW, etwa zehn Kilometer entfernt. Da mein Bruder bereits zur Orientierungsstufe in Uchte (Niedersachsen), etwa zwanzig Kilometer entfernt, ging, wurde ich auch dorthin geschickt. Warum? Weil: Die Ferien waren nicht kompatibel! Meine Eltern sind mit uns damals immer mit dem Wohnwagen nach Italien 🇮🇹 in den Urlaub gefahren. Aus den eben genannten Gründen wurde ich auch nach der Orientierungsstufe trotz anders lautender Empfehlung zur Realschule in Uchte angemeldet. Meine Motivation und meine schulischen Leistungen befanden, wie die Tanknadel eines 12-Zylinders ⛽️, im freien Fall. Was soll ich sagen? Es war mir inzwischen wumpe. 🤷‍♀️

Der erste Berufswunsch: Ab in die Werbung!

Nach meinem Realschulabschluss (erweitert, immerhin 💪) wollte ich unbedingt in die Werbung gehen. Doch mit sechzehn, in the middle of nowhere lebend, war das nicht so einfach. Ausziehen durfte ich nicht, also bewarb ich mich erfolglos bei den ansässigen, etwas näher gelegenen Firmen als Kauffrau für Irgendwas. Auf deutsch: es war mir scheißegal, denn ich hatte eh keine Ahnung, was Kauffrau überhaupt bedeutete! Wohlmöglich hat es deshalb auch nicht geklappt …

Die Höhere Handelsschule Dr. Kohlhase – Old school at its Best 📜

Also landete ich auf der Höheren Handelsschule Dr. Kohlhase in Rahden (NRW – plötzlich kein Problem mehr, denn mein Bruder und ich fuhren nicht mehr mit in den Eltern in den Urlaub). Diese Schule war so antiquiert, dass nur wir Mädels Sportunterricht hatten, während die Jungs in der Kneipe nebenan saßen. Passte irgendwie, denn der Rektor war ein anerkannter Trinker und der Deutschlehrer sah in seinen Jacketts aus wie ein Roland-Kaiser-Double. Die Schreibmaschinen-Lehrerin trug – sehr zur Freude der Jungs – immer in großzügig aufgeknöpften Blusen und erschien zum Sportunterricht in Ballonseidenen Jogginghosen mit Stöckelschuhen.  Meinen Abschluss verdanke ich dem Rechnungswesen-Lehrer, der genau wusste, dass ich inzwischen völlig ahnungslos in seinem Unterricht herumdümpelte 😳 – lost würde man das heute nennen. Nach der schriftlichen Prüfung fragte er mich, ob ich mit einer vier minus minus in seinem Fach zufrieden sei, dann bräuchte ich nicht in die Mündliche. Das habe ich mir nicht zweimal sagen lassen! Puhh … 😅

Am Ende gab’s das ganz und gar unrühmliche Abschlusszeugnis – aber immerhin 👍

Nach einer Osyssee weiterer erfolglosen Bewerbungen, landete ich an der Benedikt-Sprachenschule, die ihre eigene Sammlung schräger Typen beherbergte. 

Die absolut grauenvolle Zeit der Lehre

Am Ende bekam ich eine Lehrstelle als Reiseverkehrskauffrau und fand es schlichtweg furchtbar! Zum ersten Mal hatte ich das Vergnügen, Mobbing in Reinform zu erleben – und das nicht etwa in der Berufsschule. Die ersten neun Monate vegetierte ich in der Bahnabteilung vor mich hin, wo ich Bahnverbindungen aus dem Kursbuch herauswühlen musste, während meine Abteilungsleiterin hinter mir stand und hämisch grinste, wenn ich nicht klarkam. Sie war das genaue Gegenteil von mir: behäbig, mit praktischer, auberginefarbenen Kruzhaarfrisur, die aussah wie ein Helm und überaus vernünftigem Schuhwerk mit quietschenden Gummisohlen. Ihre Lieblingsoutfits bestanden aus Plisseeröcken (mutig bei ihrem Umfang!) – und abenteuerlich gemusterte Blusen mit Schulterpolstern, groß wie Sitzsäcke (auch hier war sie keine Bedenkenträgerin!) – es waren die 80er. Gerne hat sie mich vor Kunden runtergemacht, wenn es ihr mit den Anschlüssen nicht schnell genug ging, die blöde Schnepfe! Sie hieß übrigens mit Nachnamen ‚Grunz‘, wie das Schwein🐖 🐽. Sie hatte es sich seinerzeit nicht nehmen lassen, den Nachnamen ihres Mannes, einen Beamten der Deutschen Bahn, anzunehmen. 

Der Sprung zu Robinson und TUI

Mein damaliges Bewerbungsfoto – entstanden nachdem ich bei einer Gästershow im Robinson Club Lyttos Beach teilgenommen hatte.

Ich bin meinem Beruf treu geblieben, allerdings beim Veranstalter – nicht mehr im Reisebüro. Zunächst hatte ich bei Robinson, einem Clubanbieter angeheuert, der von Frankfurt zum Mutterkonzern TUI nach Hannover umgezogen war und habe dort in der sogenannten Flugabteilung gearbeitet. Dort haben wir unter anderem Clubaufenthalte, die Sportler aufgrund ihres Medaillengewinns von uns gesponsert bekommen haben, abgewickelt. Ich hatte einmal den Rodler Georg Hackl am Telefon. Bei seinem brutalen Dialekt war es mir quasi unmöglich, ihn zu verstehen!

Nach einiger Zeit bin ich innerhalb des Hauses direkt zur TUI in die Abteilung Sondereisen gewechselt – bessere Bezahlung, weniger Stunden waren deutliche Argumente. 

Zurück ins Arbeitsleben und die ersten Schritte als Autorin

In den Jahren der Auszeit (drei Kinder) habe ich ein Fernstudium ‚Schule des Schreibens‘ belegt. Es sind einige Kurzgeschichten entstanden, mit denen ich bei Wettbewerben teilgenommen habe und auch hin und wieder mit Sachpreisen belohnt wurde. Durch eine Bekannte bei einem VHS-Schreib-Kurs ist mir zum ersten Mal das ‚Bloggen‘ begegnet und hatte wahnsinnig Spaß daran! Mein Name bei blogger.de lautete damals ‚Pommesrot‘. Dorst habe ich meine Mitblogger gefragt, ob die Welt Geleebananen in Zartbitterschokolade braucht oder mitgeteilt, dass ich an jenem Tag einen Rock tragen werde, denn man müsse schließlich auch mal was Verrücktes wagen und lauter so ein Unsinn 😂! Beides habe ich leider lange Zeit vernachlässigt 😢, aber der Blog besteht immer noch!

Meine Seite ganz und gar in Pommesrot gehalten

Der Wiedereinstieg ins Schreiben

Vor einem Jahr habe ich das Schreiben wieder ernsthafter aufgenommen, mich mit Hilfe von Annika Bühnemann und ihrem Team gründlich mit Perspektiven, Plotten, Dialogen und Szenenaufbau beschäftigt, und schließlich einen Roman geschrieben, mit dem ich mich aktuell bei Agenturen bewerbe.

Ein Kreis schließt sich

Vielleicht wird aus der kleinen Geschichtenschreiberin von damals ja doch noch eine große Autorin von morgen 📚✍️.

 

5 Kommentare

  1. Liebe Kerstin

    Was für ein Genuss, deinen Artikel zu lesen. Ich sehe dich förmlich vor mir, wie du lesend auf dem Fahrrad unterwegs gewesen bist oder unter dem Tisch gelesen hast. 🙂

    Obwohl dir einige Steine in den Weg gelegt wurden, ist es toll, wie sich der Kreis schliesst und deine Gabe zu schreiben, immer mehr Raum gewinnt. Ich wünsche dir viel Erfolg mit deinem Roman.
    Herzliche Grüsse
    Esther

  2. Deine Alten Hanni und Nanni Bücher oder Dolly habe ich ja früher dan auch gelesen als ich das lesen für mich in deckt hatte hast du aber wirklich wieder sehr schön geschrieben 😃

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