Buch oder E-Reader? Für mich kein offenes Rennen

Wie ironisch ist das denn bitte? Du liest das hier gerade von einem Bildschirm, Und vielleicht hast du auch irgendwo einen Kindle herumliegen – oder zumindest die Amazon-Werbung dafür gesehen, wie eine strahlende Frau am Strand lesend aussieht, als hätte sie keine Rückenprobleme vom umständlichen Liegen oder einen Krampf in der Hand. E-Reader haben ihre Daseinsberechtigung. Kein Übergepack, keine Schlepperei. Aber für mich bleibt das echte Buch unschlagbar. Ich bin in der Hinsicht gern analog unterwegs. Team Buch. Seiten zum Umblättern. Auch auf die Gefahr hin, dass meine Sonnencreme Spuren hinterlässt.

Mein Buch, meine Regeln, meine Eselsohren

Ich weiß noch, was man uns schon in der Grundschule mit strengem Blick eingebläut hat: Man macht keine Eselsohren in Bücher. Man legt sie auch nicht aufgeschlagen mit den Seiten nach unten einfach weg. Bücher sind Kulturgut. Unantastbar. Sauber zu halten wie die gute Stube – betreten verboten! 

Aber mal ehrlich: Ich bin jetzt erwachsen, habe ein eigenes Bücherregal, und weißt du was? In meinem Bücherregal bin ich der Boss. Wenn ich mir merken will, auf welcher Seite der Lord von Schießmichtot endlich gemeuchelt wird, dann knicke ich die Ecke um. Zack. Eselsohr. Und wenn mir ein Satz gefällt, ein Gedanke mich packt, dann schnappe ich mir Kuli, Textmarker, Bleistift – was gerade greifbar ist – und kritzel mir Notizen an den Rand. Gnadenlos. Wie ein Höhlenmensch, der seine Gedanken wie Fresken an die Wand ritzt.

Ein E-Reader dagegen gibt mir diese Freiheit nicht. Da kann ich mir zwar digitale Lesezeichen setzen – aber ganz ehrlich: ein digitales Lesezeichen ist wie Pommes aus dem Backofen. Kann man schon machen, schmeckt auch irgendwie, Aber irgendwie fehlt das Fett.

Bücher riechen nach Spannung, Unterhaltung und Abenteuer

Ich weiß nicht, was genau es ist – Druckerschwärze? Altpapier? Der Geruch von literarischem Tiefgang, gemischt mit einem Hauch von Abenteuern? Jedenfalls passiert bei mir immer dasselbe: Ich schlage ein Buch auf und halte erstmal die Nase rein wie ein Trüffelschwein auf Bildungsmission. Der Geruch eines neuen Buches ist wie in ein mit frischer, gebügelter Bettwäsche bezogenes Bett zu steigen.

Ein E-Reader dagegen? Riecht nach … Büroklammer. Null Romantik. Nach »Bitte laden Sie Ihr Gerät auf.«

Und dann dieses Geräusch, wenn du ein brandneues Buch aufklappt – dieses leise Knacken, als würde das Buch selbst die Schultern ausstrecken und sagen: »Na endlich!« Die Seiten kleben noch ein bisschen aneinander, fast so, als wären sie in einer heimlichen Umarmung gefangen, die nur darauf wartet, gelöst zu werden. Manchmal muss man sie vorsichtig auseinanderziehen – wie ein Schatzsucher, der eine vergilbte Landkarte entfaltet, auf der das X noch unentdeckt glänzt.

Ein E-Reader? Der bleibt stumm. Kein Knacken, kein leises Seufzen, keine Spannung, die zwischen den Seiten knistert. Nur ein steriles Klack, wenn man die Hülle schließt. Da kann mir das Display noch so viele Buchstaben entgegenwerfen – ohne dieses kleine akustische Ritual fühlt es sich einfach an wie ein Konzert ohne Applaus.

Bücher haben Seiten – E-Reader Fortschrittsbalken

Viele Bücher erzählen mir eigentlich zwei Geschichten: die, die drinsteht – und die, die ich mir beim Lesen in meinem Kopf zusammenspinne. Ich wittere Intrigen, wo vielleicht gar keine sind, male mir aus, wer das nächste Opfer ist. Du bist dir sicher, der Gärtner war’s. Alle Indizien sprechen dafür – oder nicht?

Und dann passiert es: Ich bin mittendrin in der Story, völlig versunken, und plötzlich muss ich wissen: Wie viel kommt noch? Dieser Drang, die letzte Seite zu lesen, wird immer größer, weil ich die Spannung nicht mehr ertrage. Mein persönlicher Endgegner! Ich schaue auf den Seitenstapel in der linken Hand und denke: »Gott sei Dank, nur noch ein Drittel zu lesen« oder, noch schlimmer: “Erst Seite 84 von 973? Na, herzlichen Glückwunsch

Beim E-Reader? Da gibt’s keinen Seitenstapel, keine Haptik, kein Drama – nur sterile Prozentzahlen und Fortschrittsbalken. Es ist, als würde man versuchen, die Stimmung auf einer Party an der Anzahl der geleerten Sektflaschen zu messen – statt einfach mal nachzusehen, ob schon jemand auf dem Tisch tanzt.

Bücher haben Charakter – ein Reader eine Hülle

Mein Buch ist mir noch nie mitten im Cliffhanger ausgegangen. Ich kann ein Buch aus der Tasche ziehen, irgendwo in der Mitte aufschlagen und einfach weiterlesen – ganz ohne Ladebalken, Update-Meldung oder 12 % Akkustand. Ein E-Reader dagegen schaltet sich gerne dann ab, wenn es spannend wird. Es ist nur ein schwarzes Gehäuse mit einem verdächtig unromantischen »% gelesen«-Balken. 

Bücher nehmen es mir nicht übel. Die liegen einfach da – treu, geduldig, lautlos und mit einem leicht geknickten Einband, die dir zu verstehen geben: »Ich warte auf dich.« Bücher lassen sich zuklappen – zufrieden, enttäuscht oder auch wütend. Versuch das mit einem Reader. Der merkt sich gar nix. Der ist einfach nur… korrekt. Und damit auch ein bisschen langweilig. Wie der Typ auf der Party, der in einer Tour von seinem neuen Rasentrimmer schwadroniert.

Das große Zurückblättern

Ich liebe historische Romane. Die Waringham-Saga? Verschlungen. Game of Thrones? Komplett durchgesuchtet, bis ich gefühlt alle Häuserwappen auswendig sticken konnte. Was diese Bücher gemeinsam haben? Viiiiele Protagonisten, viiiiele Namen, viiiele Häuser, Intrigen, Schwertkämpfe und mindestens drei verschiedene Edwards, die alle auf einem Thron sitzen wollen. Ohne Landkarten, Stammbäume und ein ordentliches Personenverzeichnis wäre ich hoffnungslos verloren.

Wer nochmal sind die Geschworenen Männer der Nachtwache? Wo liegen Königsmund und Winterfell? Wer gehört nochmal zu den Geschworenen Männern der Nachtwache? Zu wessen Haus gehören die Worte »Wir rudern nicht«? Wann regierte Heinrich der Fünfte? Wer gehörte zu den Tudors und Lancasters? Wer waren die Appellanten? Fragen über Fragen! Und dann beginnt das große Blättern: Zurück zum Stammbaum, dann zur Karte, dann wieder in den Anhang. Ich klebe mir Post-its rein, male kleine Pfeile in die Ecken, schreibe auf die Rückseite. Mein Buch sieht am Ende aus wie ein Bastelprojekt auf der Buchmesse.

Ein E-Reader? Klar, der hat eine Suchfunktion – aber das ist wie, naja, als würde man bei „Wer wird Millionär?“ mitten in der 500.000-Euro-Frage Google fragen: »Alexa, was bedeutet ‘Valar Morghulis’?« Klar, geht irgendwie – aber wo bleibt da die Spannung, das Mitfiebern, das Rätselraten?

Zeig mir dein Bücherregal, und ich sag dir, wer du bist

Du erkennst mich an meinem Bücherregal. Da steht alles: Meine Autobiografie-Phase (ja, ich hab tatsächlich beide Bücher von Dieter Bohlen – und nein, ich schäme mich nicht. Nur ein bisschen), die jugendlichen Young-Adult-Romanzen, meine kurze Esoterik-Eskapade, der zu Unrecht gehypte Klaus-Peter-Wolf-Krimikram, die düsteren Jussi-Adler-Olsen-Gemetzel, ein paar seichte Hamptons-Strandgeschichten von Elin Hilderbrand – und ganz frisch: meine aktuelle „Ich lese alles von Freida McFadden“-Phase.

Und dann gibt es Wohnungen, in denen… keine Bücher zu finden sind. Nirgendwo. Stattdessen: Fachzeitschriften wie TopAgrarProfi oder das Landwirtschaftliche Wochenblatt. Ich weiß, wovon ich rede – ich komme vom Dorf.

Oder diese ästhetisch hochsensiblen Menschen, die Bücher schwierig finden, weil man sie nicht nach Farben sortieren kann. Da verschwinden die Bücher dann hinter Schranktüren. Nicht mal hinter Glastüren – nein, sondern in so weißen, sterilen Schränken, die aussehen wie aus einem skandinavischen Einrichtungskatalog. 

Die Vorteile eines E-Readers (ja, ich bin ehrlich)

Klar, ein E-Reader hat seine Vorzüge. Du kannst die Schriftgröße einstellen, was super ist, wenn du abends liest und die Augen schon quadratisch vom Bildschirmgucken sind. Das Display leuchtet – praktisch für Bettleser, die keinen Partner mit ihrem Nachttischlicht in den Wahnsinn treiben wollen. Du kannst die Helligkeit anpassen, das Gewicht ist minimal, und du kannst sogar hunderte Bücher mitschleppen, ohne dass dir die Schulter auskugelt.

Aber dann… dann bist du mitten im Buch, die Spannung spitzt sich zu, der Mörder steht gleich hinter der Tür – und bäm, der Akku stirbt. Schwarz. Lesepause. Fluchen. Licht anmachen. Ladegerät suchen. Nix mit »nur noch ein Kapitel«.

Und mal ehrlich: Nichts toppt das Gefühl, wenn man so einen 900-Seiten-Wälzer zuschlägt, mit einem leicht erschöpften Seufzer und denkt: »Yes, geschafft!« Das gibt’s beim E-Reader nicht. Da sagt der Fortschrittsbalken nüchtern: »100% gelesen. Herzlichen Glückwunsch.« Kein Applaus, kein Konfetti. Einfach nur… fertig.

Fazit: Bücher und ich – eine alte Liebe

Ein E-Reader? Praktisch, keine Frage. Effizient, leicht, modern – wie ein zuckerfreier Proteinriegel, wenn man wirklich, wirklich Hunger hat. 

Ich kann an keiner Buchhandlung vorbeigehen, ohne dass es mir in den Fingern juckt. Sobald ich ein Buch in der Hand halte, flüstert es mir leise zu: »Ich will bei dir wohnen.« Quasi Liebe auf den Klappentext.

Also, wenn ich mich entscheiden muss zwischen einem stromabhängigen Pixelhaufen und einem echten, schnüffelbaren, zerlesbaren Roman – dann nehme ich das, was man nicht downloaden kann.

Bücher. Echte, richtige Bücher.


2 Kommentare

  1. Hallo Kerstin,
    Ich muss mich leider als E-Book Reader outen 🙈
    Das hatte allerdings nur praktische Gründe, der Platz für Bücher reichte nicht mehr aus.
    Übrigens hat mich der 3.Teil von Freida McFadden etwas enttäuscht…
    Du hattest Recht, es kommt nicht an die ersten beiden Teile heran und war etwas vorhersehbar.
    Schönen Gruß
    Simone

    1. Hey Simone, ich habe inzwischen ‚Die Kollegin‘ gelesen. Eine neue Reihe. Die Geschichte hat mich wieder gepackt! Absolut lesenswert, auch wenn man beim Lesen immer mehr selbst um die Ecke denkt.
      Liebe Grüße
      Kerstin

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