Superfood klingt wie etwas, das Superman frühstückt, bevor er Krypton rettet – dabei ist’s oft nur Lebensmittel aus Omas Vorratskammer in hübscher Verpackung unter neuem Namen. Was uns heute als neu, selten und lebensverlängernd verkauft wird, stand früher schon bei Tante Gertrud in der Küche – bloß ohne Label.
- Chia? Leinsamen mit PR-Berater
- Kale? Grünkohl, der so tut, als hätte nie in einem Eintopf geschmort
- Quinoa? Hirse mit Auslandssemester
- Porridge? Haferflocken – immer noch
🥗 Gemüse-Bowl – oder: Der Salat, der sich warm neu erfindet
Gemüse-Bowl. Das klingt nach balancierter Zen-Ernährung, inspiriert von Bali-Reisen, ayurvedischer Lehre und mindestens einem spiralförmig geschnittenen Gemüse. Am Ende ist es meistens ein Salat, der noch nicht umgerührt ist. Ein bisschen lauwarm, weil Couscous oder Hirse eben nicht immer Zeit für Abkühlung haben. Und drüber ein ‚soft boiled Egg‘.
Und seien wir ehrlich: McDonald’s hatte das Prinzip schon vor Jahrzehnten perfektioniert. Chefsalat, wer kennt ihn nicht! In der Mitte das Ei wie der Boss. Rechts Schinkenstreifen, links Junggouda gestiftelt, unten genormte Tomatenviertel und sorgfältig geslicte Gurkenscheibchen, irgendwo das Löffelchen Mais für die Süße und das alles auf einem Bett aus lückenfüllendem, schnell verwelkenden, aber geshoppten Eisbergsalat. Serviert in Styropor mit Plastikdeckel. Dressing nach Wahl in einem Plastiktütchen – fertig.
Eine Bowl aber essen wir heute mit geschlossenen Augen, meditativ, auf recyceltem Bambusgeschirr. Warum? Weil wir hoffen, dass – wie bei den Bremer Stadtmusikanten – das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Denn wie wir alle wissen: sie sind nebeneinandergestellt nur Tiere, die nervige Geräusche machen.
Apropos nervige Geräusche. Möglicherweise ist eine Bowl auch einfach: Jazz. Nicht der elegante, kühle Jazz in einer verrauchten Bar mit Kontrabass und klarem Taktgefühl – nein, eher die Art, bei der alle gleichzeitig anfangen und irgendwann auch gleichzeitig wieder aufhören – wenn’s gut läuft! Dazwischen: viel freies Spiel. Die Snare setzt Akzente, das Klavier klimmpert irgendwas zwischen Absicht und Ausrutschen, das Schlagzeug ist grundsätzlich im Off – und dann ist da noch dieser eine laute Bläser. Er zieht alles in die Länge, weil er spürt: »It’s my Time to shine …« Ich merke, ich schweife ab …
Bowl: »Ich bin Clean Eating, fotogen und Yoga-approved!«
Chefsalat: »Ich bin OG. Du bist nur ein Salat mit Commitment-Issues auf lauwarmen Hirse-Gedöns.«
🥄 Meal Prep – oder: Resteverwertung auf Vorrat
Meal Prep klingt wie ein elitärer Sport für Fitnessleute mit Tupper-Issues. Dabei ist es im Grunde nichts anderes als: Essen vorbereiten, weil man später keinen Nerv mehr hat. Es trägt nur jetzt Sportleggins, hört Podcasts und hat ein Pinterest-Board.
Moment mal – genau wie ich!
Der Unterschied ist: während andere ihre Mahlzeiten »batch cooken«, sage ich: Ich brate Gulasch oder koche einen Bohneneintopf mit Rindfleisch für 10 Personen – wenn ich schon mal die Küche einsaue, muss es sich auch lohnen. »Batch Cooking« ist nichts anderes als Resteverwertung oder in diesem Falle auf Vorrat kochen – klingt nach Effizienz, schmeckt aber trotzdem nach einem ganz normalen Dienstag.
Meal-Prep: »Ich bin Lean Cuisine und habe den Bachelor in Ernährungswissenschaften mit Deckel. Mein Leben ist abgewogen – auf 100 Gramm genau.«
Vorratskochen: »Ich bin der Topf, der am Sonntag brodelt und dich am Donnerstag noch rettet.«
🥣 Overnight Oats oder: Haferflocken, die einen Wecker brauchen
Früher: Haferflocken. Mit Milch. Vielleicht ein paar Nüsse rein. Oder Rosinen (igitt!) Fertig. Niemand hat geklatscht. Heute: Overnight Oats – das klingt nach einem kulinarischen Abenteuer, bei dem sich der Hafer über Nacht in ein verjüngendes Geschmackserlebnis verwandelt. Spoiler: tut es nicht! In Wirklichkeit hat man Matschepampe – und diesen Umstand zu einem Food-Blog-würdigen Post für seinen Lebensstil erklärt. Besonders charmant: Chiasamen, die aufgequollen wie Froschlaich aussehen. Und das Ganze zeitgemäß in einem Einmachglas, mit denen ich im Zuge der Keller-Entmistung die nächstgelegenen Altglas Container geflutet habe.
Overnight Oats: »Ich schlafe mich schön. Du bist nur ein schlecht gealtertes, breit gewalztes Korn, das aus entpelztem Hafer hergestellt wird.«
Haferflocken: »Ich bin schnell, günstig und mich muss niemand fotografieren, bevor er mich isst.«

🍳 Tofu – der Chamäleon-Künstler bei Geschmacks-Fragen
Tofu hat viele Fans – und mindestens genauso viele Skeptiker. Manche sagen, er schmecke nach nichts. Andere behaupten: Genau das ist seine Superkraft! Für mich ist Tofu vor allem das Mehl unter den Gewürzen, also nicht so richtig ernst zu nehmen.
Mal tut er so, als wäre er ein Rührei (Scrambled Tofu), mal möchte er ein Steak sein (Tofu vom Grill), mal badet er ganz bescheiden in der Miso-Suppe. Ein stiller Held aber immer dabei. Meist mit Sojasoße.
Grill: »Und was genau können Sie?«
Tofu: »Alles. Steak, Wurst, Pudding. Ich bin formbar…“
Grill: »Aha, klingt nach Identitätskrise. Wir kommen vielleicht später auf Sie zurück.«

🏋️♀️ Proteinriegel – der Bizeps aus der Verpackung
Der perfekte Snack für alle, die lieber Muskeln manifestieren als trainieren. Obst? Gemüse? Vitamine? Pff. Wer braucht das schon, wenn man sich mit einem „Chocolate Chip Cookie Dough Proteinbar“ etwas zuführt, das aussieht wie ein Knetklotz mit Sixpack-Ambitionen? Perfekt für Menschen, die keine Zeit zum Essen haben, aber stundenlang Nährwerttabellen vergleichen können.
Dass so ein Riegel mit 29 Gramm Eiweiß daherkommt, aber schmeckt wie gepresstes Pappmaché mit Sucralose-Aroma, wird dann liebevoll unter „sportlich-cortisol-regelnd“ verbucht. Aber Hand aufs Haferherz: Wenn man alle Zutaten weiter optimiert, texturiert, fermentiert und stylisch presst, landet man irgendwann wieder beim Ursprungsprodukt, der Banane.
Proteinriegel: »Ich bin High-Protein, Low-Carb, ISO-zertifiziert und schmecke nach Erfolg.«
Banane: »Ich bin gelb, ehrlich und brauche keine Zutatenliste.«

🥬 Green Smoothie – wenn dein Salat in den Mixer muss
Der Green Smoothie ist wie ein Detox-Retreat in Glasform. Spinat, Sellerie, Gurke, ein Hauch Apfel – fertig ist die matschige Verheißung eines besseren Lebens. Man ext ihn mit zusammengekniffenen Augen und tut so, als wäre das kein flüssiger Salat, sondern eine heilige Gral-Infusion. Wer heilt hat Recht!
Bonuspunkte, wenn Chlorella oder Spirulina drin sind – damit der Smoothie nicht nur gesund aussieht, sondern auch schmeckt, als hätte man aus Versehen in einen Teich mit Entengrütze gebissen.

Green Smoothie: »„Ich bin kein Getränk. Ich bin ein Lebensstil. Leicht zu verdauen, radikalisiert und mit gesunden Algen versetzt.Vegan. Ich war auf Bali, bevor es cool war.“
Salat: »Jetzt fahr mal rechts ran. Früher warst du Beilage, Kollege. Jetzt bist du eine Werbe-Strategie mit Strohhalm.«
🥬 Sauerkraut vs. Kimchi – wenn das heimische Kraut plötzlich ein Imageproblem hat
Es war einmal ein bescheidenes Sauerkraut. In einem Gärtopf, irgendwo zwischen Kellerregal und Kasslerbraten. Kohl, der seit Jahrhunderten still vor sich hin gärt und dabei die Verdauung in Schwung bringt.
Doch dann kam Kimchi, der extrovertierte It-Kohl: laut, scharf, angeblich heilend und in jeder Koch präsent. Fernsehköche schwören, es sei »eine Geschmacksexplosion, die man einfach erlebt haben muss!« Wahrscheinlich inklusive Werbedeal.
Und plötzlich steht unser heimisches Sauerkraut da – in der Bio-Ecke, leicht verunsichert, aber immer noch stabil im Geschmack. Keine Selfcare-Vibes, keine Detox-Versprechen. Einfach nur Kohl, der Jahrhunderten verlässlich sauer macht, ohne aufdringlich zu werden.
Kimchi: »Ich bin Trend! Ich bin fermentiert, scharf, exotisch und komme als Retreat im Einmachglas inklusive Kultstatus.«
Sauerkraut: »Im Grunde also Kohl mit Drama. Ich bin schlicht, sauer und mache meinen Job seit Jahrhunderten.«
🌾 Quinoa – die Hirse mit Bio-Diplom
Quinoa ist die akademisch überambitionierte Cousine der Hirse. Sie trägt ein Fairtrade-Zertifikat aus Südamerika, glutenfrei, proteinreich, voller Aminosäuren und stets bereit, ihre Inhaltsstoffe auf einem Poster im Bioladen zu erklären. Er hat eine komplexe Kohlenhydratstruktur und sieht immer ein bisschen beleidigt aus, wenn man sie zu lange kocht.
Hirse hingegen? Kommt leise, bleibt nahrhaft und macht keinen Aufstand, wenn sie mal im Discounterregal landet. Quinoa glänzt – Hirse nährt. Und das lange bevor Quinoa einen Eintrag auf Wikipedia hatte.
Quinoa: »Ich bin glutenfrei, bio-zertifiziert und bei Eat This! gefeatured.«
Hirse: »Du bist ein Pseudogetreide! Deine Verwandten heißen Spinat oder Rote Bete – Gänsefußgewächse halt. Also gib nicht so an wie ein Sack Sülze, Kollege.«
🌱 Edamame vs. Grüne Bohnen – dem Gemüse in Bügelfalten
Grüne Bohnen sind das gepflegte Understatement auf jedem Teller: nie der Star, immer pünktlich gegart, leicht quietschig im Biss. Sie kommen mit Null Drama und einer Ahnung von Kantinenromantik. Ihr Motto: »Jeder kennt mich und weiß, dass ich gesund bin. Ich tu aber nicht so, als wär’s eine besondere Eigenschaft.«
Dagegen steht der internationale Gegenspieler: die Edamame – Sojabohne im Freizeitanzug, serviert in Schälchen mit grobem Salz und maximalem Coolness-Faktor. Wo die grüne Bohne einfach ist, wird Edamame in Szene gesetzt. Sonst könnte sie niemand von einer gewöhnlichen Bohne unterscheiden. Aber keine Angst – der Konsument wird’s dir ohnehin ungefragt verraten.
Edamame: »Ich bin Snack, Side Dish und Lifestyle – direkt aus der japanischen Trendküche.«
Grüne Bohne: »Ich bin Beilage. Aber ich weiß, woher ich komme – und was Butter und Speck sind.«
🥬 Wirsing vs. Pak Choi
Wirsing – der Pantoffel unter den Blattgemüsen – trägt kein Sesamöl, sondern Butter. Und vielleicht ein bisschen Muskat, wenn’s wild wird. Er ist das Gemüse, das beim Kochen leicht nach gestern riecht. Gerollt, geschmort, eingekocht: Wirsing war schon alles. Nur nie trendy. Er ist der Kohl, der im Strickpulli daherkommt – mit Geschichten von früher und genug Substanz, um dich durch den ganzen Tag zu bringen.
Dann kommt Pak Choi: aufrecht, knackig, drei Minuten im Wok und bereit fürs Fotoshooting. Er sieht nie durchgeschmort aus, hat aber auch noch nie stundenlang in Brühe gelegen. Immer knackig, nie durchgeschmort.
Pak Choi: »Ich bin die asiatische Leichtigkeit auf deinem Teller und brauche nur 3 Minuten im Wok.«
Wirsing: »Ich bin deftig, ziemlich ostwestfälisch – wenn ich weich werde, dann mit Absicht. Deftig und absolut unhip – aber dafür mit Charakter.«
Fazit
Ich persönlich mag es zu Schnippeln, Brutzeln, Kochen, Backen (manchmal) und Auftauen (wenn ich mal wieder Bohneneintopf auf Vorrat gekocht habe, Stichwort Meal Prep). Für mich müssen Lebensmittel nicht entwickelt, prepariert, optimiert und »auf den Markt gebracht« werden.
Versteh mich nicht falsch: Ich gönn jedem seine mit Food-Diven getunten Bowles. Aber mal ehrlich: Quinoa & Co. haben die hiesige Küche nicht revolutioniert – sie haben ihr höchstens einen Glamour-Faktor verpasst um den Preis zu rechtfertigen. Alle paar Monate wird eine neue Superfood-Sau durchs Dorf gejagt. Und wenn schon! Jeder soll essen, was ihn glücklich macht – sei es Algensalat oder Leberwurstbrot.
Was ich nur schwer verdauen kann, sind die selbsternannten Besseresser: Menschen, die ihre Ernährung wie eine Weltanschauung vor sich her tragen – und andere gleich mit missionieren wollen.
Ich mag Avocado. Ehrlich. Ab und zu. Aber irritierend finde ich, wenn ein Flugobst mit Bio-Siegel daherkommt und sich moralisch überlegen gibt.
Ich bin nicht gegen Bio – ich bin gegen Bullshit mit Bio-Label.
Für mich gilt: Käsebrot geht immer.

Köstlich, im wahrsten Sinne des Wortes
Es ist schon irre, welche Hypes da ständig um die Ecke kommen. Ich denke da auch an die im Winter gehypte Dubai-Schokolade -boah. Kann man nicht einfach Schokolade essen?
Matcha-Latte-Irgendwas ist mir auch irgendwie suspekt. Den muss man ja in der Stadt im durchsichtigen Plastikbecher schick trinken, mit kleinem Handtäschchen am Arm.
In diesem Sinne lass Dir das Käsebrot schmecken
Antonette
Hey Antonette,
ich muss zugeben, nachdem mir meine Tochter ein Matcha-Latte-Set mit Milchaufschäumer, Schale und Besen geschenkt hat, habe ich das Getränk für mich zu Hause entdeckt! Diesen Dubai-Hype empfinde ich als aufdringlich-überflüssige Marketingstrategie, die Gott sei dank schon wieder in der Versenkung verschwunden ist. Aber keine Angst – es wird über kurz oder lang wieder eine Sau durchs Dorf gejagt. Vielleicht eine Regenbogen-Avocado oder Luna-Eis aus Milch von Kühen, die nur bei Vollmond gemolken werden – während im Hintergrund tibetische Klangschalen erklingen. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Ich bleib beim Käsebrot💪
Hallo Kerstin, jetzt hab ich deine Energie-Riegel erkannt.
👍😊 🙋♀️ Super!
Haha! Nachdem du die Rohfassung nicht auf Anhieb erkannt hattest, habe ich es einfach drauf geschrieben ✍️.
Hallo Kerstin,
super Text, ich habe laut gelacht
Hey Simone, so soll es sein😂