Jedes Jahr dasselbe Spiel: Der Frühling ist da! Zumindest der phänologische, der sich nicht nach dem Kalender, sondern nach der Natur richtet. Die ersten Schneeglöckchen sind am Start, Vögel zwitschern – und plötzlich überkommt dich dieser absurde Drang, dein Haus auf links ziehen zu müssen. Jener alljährliche Moment, in dem du denkst: »Dieses Jahr wird alles anders! Wir bleiben organisiert! Kein Chaos mehr!«
Muahahah!
Lassen wir die Kirche im Dorf. Hier sind einige ganz persönliche Highlights des Desasters:
Der Keller: Zeitkapsel des Wahnsinns
Mit tatkräftiger Hilfe haben wir den Keller komplett ausgeräumt. Wirklich komplett! Eine Kühltruhe mit Ausmaßen eines eigenständigen Biotops, in dem Pinguine ein artgerechtes Zuhause hätten finden können. Ein Gefrierschrank, groß genug, um sämtliche Stadionbesucher eines WM-Finales zwischen Deutschland und Italien mit Pommes, Chicken Nuggets und Eis am Stiel zu versorgen – plus Schiedsrichter und Platzwart. Beide Immobilien standen vermutlich bereits im Keller, bevor die Bodendecke gegossen wurde.




In den unendlichen Weiten weiterer Lagereinheiten fanden sich Kartons von Elektronikgeräten, die es schon längst nicht mehr gibt („Falls mal was mit dem Gerät ist“ – Ja nee, is klar, das ist 1998 produziert worden). Dann war da Kinderspielzeug, Rollläden ohne passendes Fenster, Neonröhren, Farbeimer, eine antike Tret-Nähmaschine, zwei Spinnräder – noch mit Rohwolle bestückt (!), Geschirr – und natürlich die selbstverständlich die heilige Dreifaltigkeit des Kellers: Müllsäcke voller Kabelsalat, unidentifizierbare Metallteile und Kisten voller „Das könnte man noch brauchen, wie zum Beispiel einen Stapel alter potthässlicher Badfliesen (wetten, dass die nie kaputt gehen?!)
Ach ja, nicht zu vergessen die alten Eichenmöbel, in denen sich nicht einfach irgendein Holzwurm eingenistet hat – nein – es ist ein regelrechtes Boot-Camp für Nachwuchs-Schredderer unter der Leitung von Chuck Norris! Ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber es könnte sich um bislang unbekannte Verwandte der berühmten Steinlaus von Loriot handeln – nur eben spezialisiert darauf Eichenmöbel in Sägemehl zu verwandeln.


Doch das war nicht die einzige historische Entdeckung. Tief in den Kellerkatakomben lauerte ein mysteriöser Karton voller alter Schriften – angefangen im Jahr 1844. Da es sich nicht den Tagebuch-Nachlass eines vergessenen Dichters oder eine ultimative Schatzkarte handelte hatte, habe ich sicherheitshalber beim Stadtarchiv angerufen. Man weiß ja nie – vielleicht revolutioniere ich versehentlich die Geschichtsforschung.




Aber weit gefehlt! Der gute Mann am Telefon klang, als hätte ich ihm gerade erzählt, dass ich ein halbes Pfund Kartoffeln im Kühlschrank gefunden habe. Eine Regung zwischen gelangweilter Routine und gepflegtem Desinteresse. »Ja, klingt grundsätzlich interessant, aber …«, sagte er in einem Ton, als würde er täglich unter Papierlawinen begraben. Es gäbe derzeit niemanden, der sich darum kümmern könne, aber ich dürfe die Schriften gerne im Archiv zwischenlagern bis:
- nach der Sommerpause, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist
- nach der nächsten Mondfinsternis
- sobald der heilige Dreifaltigkeitstag der Verwaltung nah genug an einem Dienstag liegt
- oder – ganz optimistisch – nach nach der vollständigen Digitalisierung aller Akten – also niemals
Such dir was aus.
Hä??? Dafür karre ich die Schriften bestimmt nicht nach Rahden, um ihn dort quasi mit offizieller Genehmigung einzulagern. Ich habe meinem Telefongegenüber (ich glaube, freundlich) mitgeteilt, dass ich dann wohl lieber mal beim örtlichen Heimatverein nachfrage – da ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand vor Begeisterung wenigstens die Augenbraue hebt, vermutlich größer.
Ein weiteres epische Großprojekt: Einmachgläser aus Ur-Großmutters Zeiten – oder noch früher. wann genau wurde das Glas erfunden? Ein schier endloses Einmachgläser-Reservoir.

Vier Kofferraumladungen später (ja, VIER!) wusste ich: Ich bin offiziell die Person, die die örtlichen Glascontainer in die Knie zwingt.
Vielleicht hätte ich flugs ein Start-up gründen sollen: „Einmachen To Go“ – Fermentieren und Mitnehmen leicht gemacht! Für die Hipster aus Berlin natürlich auf Englisch: »Jar To Go – Pickle Your Soul!«
Mein Konzept?
- Nachhaltig, vintage und garantiert NLO – Next Level Organic
- Fermentierte Snacks für unterwegs – Kombucha im Einmachglas oder Sauerteigstarter für spontane Brotback-Abenteuer.
- Glas ist das neue Plastik – Warum Coffee-To-Go, wenn du auch einen liebevoll gereiften Cold-Brew-Macha-Latte aus einem 60 Jahre alten Weckglas schlürfen kannst?
- Individuelle Upcycling-Designs – Jedes Glas falls gewünscht mit individueller Sketchnotes-Beschriftung! (Ich hab geübt!)
- Selbstabfüllen erlaubt: Entengrütze – der neue heiße Scheiß für deine Haut! Probier es aus und du wirst staunen 😯
- Slogan: »Because plastic is so 2010 – let’s jar it!«
- Oder auf Deutsch: »Plastik? Sooo 2010er – wir machen’s im Glas!«
Aber ich schweife ab.
Jetzt muss der Keller gereinigt werden (meine Aufgabe), nur damit er kurz darauf wieder verdreckt werden kann, wenn die Rohre ausgetauscht werden. Aber hey, wenigstens haben wir uns geschworen, uns nie wieder so zuzumüllen. Wie lange das wohl hält?
Fensterflächen: Blinde Scheiben mit Symbolcharakter
Die Dachflächenfenster und Balkontüren haben seit Monaten erfolgreich das Tageslicht gefiltert. Also ran an den Schwamm! Nach ein paar beherzten Wischbewegungen werde ich endlich wieder klar sehen. Dann können die Vögel endlich wieder mit voller Wucht dagegen fliegen. Das Beste? Die Fenster werden demnächst im Rahmen eines Umbaus eh rausgerissen. Aber immerhin können wir sie in sauberem Zustand verabschieden.
Um bei der Wahrheit zu bleiben – vor diesem Hintergrund habe ich noch nicht mit den Fenstern angefangen. Außerdem scheint gerade ganz fies die Sonne, da darf man ja gar nicht – und überhaupt, heute ist Sonntag … außerdem steht die kommende Pollenivation schon in den Startlöchern … oder nächste Saharasand kommt von oben.
Die Küche: Der (Fake)-Tupperschrank – das Bermudadreieck für Dosen ohne Deckel
Jede Küche hat ihn: Diesen einen Schrank voller Plastikdosen in circa dreißig verschiedenen Größen, von denen die Hälfte entweder keinen passenden Deckel hat (findet sich bestimmt wieder an – Spoiler: Nöpp!) oder von Tomatensoße mit einem Rot für die die Ewigkeit verfärbt sind. Was hab‘ ich nicht alles versucht: Essig, Natron, Soda, Zitronensäure, Bremsenreiniger … Vielleicht sollte ich die Bolo-Soße nicht immer so hastig in der Mikrowelle auftauen, denn oft sind die Dosen zu allem Überfluss von innen total angeraut, was das Reinigen nicht gerade vereinfacht. Und trotzdem hebt man sie auf! Weil … man weiß ja nie!
Also habe ich mich dem Unvermeidlichen gestellt. Ergebnis nach einer Stunde mühsamen Sortierens? Ein Viertel des Inhalts in der Mülltonne, der Rest fein säuberlich gestapelt – bis wieder das Chaos ausbricht. Aber zumindest habe ich jetzt wieder Platz für neue Dosen, die ebenfalls nach zwei Monaten ohne Deckel rumliegen werden. Finde den Fehler!
Fazit:
Hat sich der Wahnsinn gelohnt? Klar, der Keller und die Küche sind (für den Moment) ordentlich. Mein Gewissen ist beruhigt. Aber wir alle wissen: In ein paar Wochen sieht es hier ganz anders aus. Also bis dahin genieße ich die baustaubfreie Zeit.
P.S.: Beweisfoto

Wahnsinn das der Keller jetzt leer ist 😅 an die Einmachgläser kann ich mich auch noch erinnern die standen ja immer bei der Waschmaschine und den Trockner 😅 sehr schön geschrieben Mama 😘
Du kennst ihn sogar wahrscheinlich!
Hey, besonders die Szene mit dem Archivar ist dir super gelungen . Macht richtig Spass!