Manchmal frage ich mich ernsthaft, ob mein Gehirn eine geheime Vereinbarung mit der Zeit getroffen hat. Eine Art „Vergessen-gegen-Platz-für-neuen-Unsinn“-Deal. Denn einst habe ich mit eiserner Disziplin französische Vokabeln gepaukt – um ehrlich zu sein habe ich mir deren Buchstabenreihenfolge, wie kyrillische oder chinesische Schriftzeichen gemerkt. Chemische Formeln? Wohnten maximal bis zum nächsten Test in meinem Gedächtnis.
Und Physik? Mein Lehrer war felsenfest davon überzeugt, dass Mädchen wie ich ohnehin nie kapieren würden, wie Materie, Energie, Raum und Zeit miteinander interagieren. Wozu also großartig die Mühe machen? Jetzt könnte ich sagen, mein heutiges Bildungs-Vakuum sei allein die Schuld meiner bocklosen Lehrer – und, ganz ehrlich, ich hatte einige davon!
Einzig der Dreisatz hat überlebt. Ich erkenne im Supermarkt auf einen Blick, dass der Kilopreis der abgepackten Paprika höher ist, als wenn ich sie einzeln kaufe. Dasselbe gilt für Gummibärchen in der Dose oder der Tüte. Lass dich nicht verarschen!
Aber während meine Schulkenntnisse langsam, aber sicher verdunstet sind, verbringe ich jetzt meine Zeit mit Workshops und Fortbildungen – meistens zu Dingen, die es damals noch gar nicht gab. Wer hätte gedacht, dass ich eines Tages nicht Biologie, sondern Canva bräuchte?
Französisch? Oui, non, merde!
Ja, ich hatte Französischunterricht. Vier laaaange Jahre! Und was ist davon geblieben? Eine Mischung aus »Je ne sais pas«, »Baguette«, »Merde!« und »Merci«. Theoretisch könnte ich im französischen Supermarkt also fluchend Brot kaufen und mich anschließend höflich bedanken. Praktisch gesehen reicht das fürs Überleben. Jedoch nicht, um ein existentialistisches Gespräch über die Sinnkrise des modernen Menschen zu führen. Aber unter uns: Wer will das schon?
Spanisch? Ich hatte mal Ambitionen! Kennst du die alten Western mit Clint Eastwood? Für eine Handvoll Dollar oder Zwei glorreiche Halunken? Ich war stolz wie Oskar, als ich die finsteren Schurken (No front, aber es waren immer Mexikaner oder reiche Ölbarone) ohne Untertitel verstand. Ich wollte ganze Serien im Original schauen!
Und was ist davon übrig? Nun, ich kann mir problemlos Bier bestellen: »Dos cervezas, por favor.« Ich kann nach dem Hafen fragen: »¿Dónde está el puerto?« Und falls es mal brenzlig wird, kann ich mit ernster Miene verkünden, dass sich eine Schallplatte in meiner Tasche befindet: »Hay una disco en el bolso.« Na, wenn das mal nicht nützlich ist!
Ich habe übrigens mein altes Spanisch-Buch gefunden. Außer, dass ich es mit Vokabeln vollgekritzelt habe, konnte ich scheinbar nicht widerstehen, den Bildern meine ganz persönliche künstlerische Note zu verpassen. Aber sieh selbst:






Was mir gerade einfällt: Warum wurde in sogenannten Italo-Western eigentlich nie Italienisch gesprochen, sondern immer nur Spanisch? Vermutlich, weil der Regisseur meistens Sergio Leone hieß.
Chemie, Physik – Fächer, die ich elegant verdrängt habe
Erinnerst du dich an den Chemieunterricht? Ich auch nicht. Es gab irgendwas mit Periodensystem, Säuren, Basen und einer stinkenden Explosion im Klassenzimmer. Physik? Ich weiß, dass Dinge runterfallen. Danke, Newton. Und wenn die Badewanne überläuft, weiß ich, wieviel Wasser ich mit meinem Körper verdränge – Auftrieb, danke Archimedes!
Alles, was ich nicht über Physik und Chemie weiß, könnte Bibliotheken füllen. Aber das Wissen, das ich heute habe, habe ich mir selbst angeeignet, weil es mich interessiert. Das glaubst du nicht? Frag mich mal nach dem Hebel, der schiefe Ebene, den Flaschenzug. Das Wort Maschine stammt aus dem Griechisch-Lateinischen und bedeutet nichts anderes als Hilfsmittel oder Werkzeug. Mit einem lässigen »Ha!« könnte ich dir aus dem Nichts Vorträge halten – ok, übertrieben!

Chemie? Jetzt weiß ich, dass das Periodensystem eine große, mit Ordnungszahlen versehene Schatzkarte aller chemischen Elemente ist. Von Wasserstoff (dem leichtesten) bis zu den schwersten Metallen. Beispiel gefällig? Wasserstoff (H) hat die Ordnungszahl 1, weil sein Atomkern ein Proton enthält. Gold (Au) hat die Ordnungszahl 79 – genau, weil 79 Protonen im Kern stecken.
Hä? Wasserstoff ein Metall? Runtergebrochen: In seinem gewöhnlichen Zustand ist Wasserstoff kein Metall, aber unter extremen Bedingungen zeigt er metallische Eigenschaften. Das macht ihn zu einem besonderen „Wandler“ in der Chemie! 😎
Unter uns: Mein Göttergatte (Hallo Jürgen 😘!) wird sicherlich einige Fragen haben, wenn er diesen Artikel liest. Er weiß nämlich nichts von meinem stillen Interesse an Chemie und Physik – ich prahle nicht – höchstens mit unnützem Wissen. Während ich mich mit Canva und WordPress herumschlage, ist er der wahre Kenner der Materie (im wahrsten Sinne des Wortes).
Lernen heute: Canva, WordPress und das Überleben im digitalen Dschungel
Aber was brauche ich heute? Einen Workshop darüber, wie ich mit Canva Bilder bearbeite, ohne sie aussehen zu lassen, als hätte ein Kindergartenkind mit Filzstiften daran herumgepfuscht. Wie lege ich eine Story an? Oder lerne, wie ich Reels schneide – die ich vorher natürlich aufnehmen muss, sonst ergibt das Ganze keinen Sinn. Wie lege ich Musik darunter? Wo sind diese Filter, die mich gut aussehen lassen, wenn mir (wie so oft) Fotos von mir nicht gefallen? Warum ist meine Startseite immer noch ‚Under Construction‘?
Damals, als ich mal wieder Bandsalat in meinem Kassettenrekorder (ja, die Älteren werden wissen, wovon ich rede) hatte, habe ich das Korpus delikti fachmännisch (energisch rausgerissen) entfernt, das Vertüddelte abgeschnitten mit Tesa geflickt und den Rest mit einem Bleistift wieder aufgewickelt. Analoge Bandbearbeitung könnte man sagen.
Fazit: Der Trog bleibt – die Schweine wechseln
Oder anders gesagt: Lernen hört nie auf – nur die Themen ändern sich. Statt Französisch-Vokabeln lerne ich heute, wie man Hashtags richtig einsetzt. Oder ob sie noch zeitgemäß sind. Statt Chemie zu pauken, versuche ich, Sketchnotes zu zeichnen. Und anstatt physikalischer Formeln auswendig zu lernen, kämpfe ich mit einem plausiblen Plot für mein Buch, das wahrscheinlich nie das Licht der Welt erblicken wird. Die Zeiten ändern sich – und ich mich mit ihnen. Aber eins bleibt gleich: Mein Gehirn hat immer noch viiiel Platz für unnützes Wissen.

Sehr amüsant und gut zu lesen, da kommen Erinnerungen hoch! Vom Französichunterricht ist mir auch nicht viel geblieben, so ist das, wenn man es nicht anwendet. Heute versuche ich, meine Sprachkenntnisse vor dem Urlaub mit Duolingo aufzufrischen – mehr oder weniger erfolgreich 😉 !
Heute bin ich auch eher bei Canva und WordPress, und versuche mir das rauszupicken, was ich brauche. Nicht immer einfach :-S …. Aber interessante Themen, mit denen man sich befassen kann, gehen auch mir nicht aus!
Liebe Ilke, eine Freundin von mir sagt immer: Man lebt, man lernt! ❗️
Hallo liebe Kerstin,
ich habe beim Lesen von vorne bis hinten geschmunzelt. Ja, ich fühle jedes Wort mit dir. Der Satz: Der Trog bleibt – die Schweine wechseln ist einfach genial.
Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so fit in allerlei Programmen werden würde. Einfach nur deshalb, weil ich muss, weil ich will und weil mich das alles interessiert. Vieles ist dabei auf der Strecke geblieben. Ich lerne anderes.
Übrigens habe ich auch so eine Schwäche für unnützes Wissen und Können. 😏 Ich habe den Kettensägenschein 😂 Brauche ich für gar nichts. Aber ich wollte ihn so gerne machen.
Liebe Grüße
Jutta
Hallo Jutta, vielen Dank für deinen Kommentar – ich musste auch sehr schmunzeln. Glückwunsch zu deinem Kettensägenschein! Wer weiß – irgendwann wirst du aus dem Stumpf einer gefällten Eiche eine Eule, groß wie der Hippogreif Seidenschnabel – zaubern!
Liebe Grüße!
Ja, Janne ich war manchmal dabei und – fassungslos!!!
Ach ja die Schulzeit war schon ne Zeit da kann ich auch Geschichten von Lehrern erzählen 😅 sehr schön geschrieben Mama ich Wuste auch nicht das du mal spanisch hattest