Jeder kennt ihn. Den Moment, in dem man eine kleine Aufgabe aufschiebt. Zack – Jahre später ist sie immer noch da, nur peinlicher. Vermeidung führt oft dazu, dass ein Problem immer größer wird. Hier ein paar willkürliche Beispiele:
Die geliehene Betonmaschine. Ganz hinten in der Halle, vom Güllefass verdeckt. Von wem war die nochmal? Ratz-fatz sind einige Jahre ins Land gegangen und du hoffst, dass die Maschine nie wieder zum Thema wird. Inzwischen haben ja schließlich alle gebaut.
Die Tupperdose von Tante Ingrid. Du bekommst sie mit leckerem Kartoffelsalat gefüllt. Du willst sie natürlich zurückgeben – aber erst mal spülen. Dann verlässt sie nie wieder deinen Schrank. Fünf Jahre später bist du auf der Familienfeier und hörst Tante Ingrid sagen: »Ich hatte mal so eine tolle Dose …« Du schaufelst panisch Kartoffelsalat auf deinen Teller, rutscht etwas tiefer unter den Tisch und schweigst.
Das Sechs-Mann-Zelt für ein Festivalwochende. Es regnet, es wird klatschnass und du denkst dir: »Ich lass es zu Hause erst mal trocknen, bevor ich es zurückgebe.« Schnitt: Sieben Jahre später liegt es immer noch ungeöffnet im Keller und der ursprüngliche Besitzer hat auf Camper umgestellt.
Möglicherweise hast du sicherheitshalber den Kontakt zu einigen Personen abgebrochen, weil du dich so schämst.
Willkommen im Avoidance Circle! Hier ein paar meiner Klassiker:
Das „Ich-kenne-dein-Gesicht“-Dilemma
Du schlenderst durch die Stadt, ahnungslos, nichtsahnend – und dann passiert es. Ein strahlendes Gesicht, das dich offensichtlich kennt, winkt dir euphorisch zu. Du grüßt freundlich zurück und gehst weiter. Aber: Die Person wechselt die Straßenseite zu dir herüber und schon bist du in ein Gespräch verwickelt, während dein Gehirn fieberhaft versucht herauszufinden, wer zur Hölle diese Person ist. Dein Gegenüber plaudert munter drauf los: «Wie geht’s den Kindern? Ist Janne immer noch auf Langeoog? Macht Lena ihren Master? Und stimmt es, dass Tim ist mit seiner Freundin zusammengezogen ist?«
Ich bin am Arsch.
Während ich verzweifelt versuche, das Gesicht einzuordnen, kommt mir nur ein verzweifeltes »Ja, ja, genau! Und bei euch so?« über die Lippen. Das war’s. Ich habe jede Chance auf eine legitime Nachfrage verpasst. Die Person kennt offensichtlich mein komplettes Leben – und ich weiß nicht mal, ob wir vor drei Jahren zusammen eine Radtour mit den Landfrauen unternommen haben, oder ob wir zusammen im Schwangerschaftsvorbereitungskurs unsere Bäuche verglichen haben.

Ich nicke weiter, lache an den richtigen Stellen und hoffe inständig, dass mir ein Geistesblitz ins Gedächtnis fährt und mir irgendwann verrät, mit wem ich hier verdammt nochmal rede. Spoiler: Tut es nicht.
Die Werkstatt und der Teufelskreis aus Dreck
Der Smart schreit nun schon seit 175 (!) Tagen nach einer Inspektion. Ich hatte beim Stand von minus 88 Tagen bereits darüber berichtet. Mein Göttergatte hat ihn sogar feierlich gewaschen und vollgetankt mit den weisen Worten: »Jetzt kann er in die Werft. Kümmerst du dich um einen Termin?« – »Klar!«, sagte ich.
Spoiler: Habe ich nicht! Der Grund? Nun ja, das Auto steht von innen zu wie hulle, denn ich benutze den Smart, um mit Buddy Ausflüge zu machen. Natürlich drapiere ich großzügig ein ausrangiertes Badehandtuch über den Vordersitz, aber Doggo benutzt das Armaturenbrett als Ablage für seinen Kopf und leckt über die Scheiben, als seien sie mit Leberwurst bestrichen. So kann ich den Wagen nicht wegbringen.

Zum Saubermachen ist es mir draußen zu kalt und inzwischen ist der Smartie auch von außen wieder dreckig. Wie gesagt, ein Teufelskreis.
Vorsorgetermine
Heute gehe ich regelmäßig. Früher? Nicht so sehr. Bis mich plötzlich höllische Zahnschmerzen erwischten. In meiner Verzweiflung warf ich sämtliche Schmerzmittel ein, die ich finden konnte – ohne Erfolg. Mein Göttergatte chauffierte mich zu einem Zahnarzt, den ich nicht kannte.
Was soll ich sagen: Der Arzt war supernett. Doch dann die Horrorfrage: »Wann waren sie zuletzt beim Zahnarzt?« Selbstverständlich stellte ich mich dumm. Bei der Frage nach meinem Bonushaft ebenfalls. Ich wusste genau, wo es lag – noch mit meinen Mädchennamen vorne drauf. Leider ist besagter Arzt letztes Jahr verstorben und im März steht mein Termin bei seinem Nachfolger an. Mal sehen.
Übrigens, ähnliche Geschichte bei der Frauenärztin. Nach der letzten Schwangerschaft (Zwillinge – sagt alles) war ich fünf Jahre lang zu beschäftigt. Außerdem wollte ich mir nicht anhören, dass ich zu dick bin. Erst eine Kopfwäsche von Freundin Kerstin brachte mich zurück auf den Pfad der medizinischen Vernunft. Danke, Kerstin!
Gutscheine, die niemals eingelöst werden
Da hängt er, der Gutschein über einmal Steak essen bei Töbelmann an der Pinnwand und grinst dich an. Leider ist besagter Gutschein schon fünf Jahre alt. Wie konnte das passieren? Etwa so:
- Wollen wir am Wochenende? Ach nö, dann ist es immer so voll da.
- Wie wär‘s mit Dienstag? Da ist Spare-Ribs-All-you-can-eat, viel zu stressig
- Dann Mittwoch? Oh nee, da habe ich Sport – danach essen? Das wird mir zu spät.
- Spontan heute? Dann müsste ich mich ja wieder umziehen …
Und dann stellt sich die Frage: Wann sagt man der Bedienung, dass man einen Gutschein hat? Gleich am Anfang und riskieren, wie ein Geizhals behandelt zu werden? Oder am Schluss: Tatatadaa – Django zahlt heute nicht – Django hat ’ne Monatskarte?
Aktuell habe ich auch noch einen gewonnenen Gutschein für eine Human-Design-Beratung bei Sandra Hoppenz. Ich hatte viele Fragen – die ich leider nicht aufgeschrieben habe. Jetzt müsste ich mich erst wieder einlesen… Ich kenne mich. Bald traue ich mich nicht mehr, Sandra darauf anzusprechen.
Geliehene Bücher
Anruf: »Sag mal Kerstin, hast du noch mein Buch ‚Geschichten aus dem Zillertal‘? Gertrud möchte es lesen.«
Panik!
Kalter Schweiß, nervöses Zucken des rechten Augenlids, verunsichertes Räuspern: »Ähm, bist du sicher, dass ich mir das geliehen habe?«, stottere ich, während ich mit hektisch-suchendem Blick über meine Regale husche und fahrig Bücher hin und her schiebe.
»Hundertprozentig!«
»Oh! Es hat gerade an der Tür geklingelt. Ich rufe zurück, ciao!«, rufe ich ins Telefon und durchsuche währenddessen bei Amazon nach einer Neubestellung.
Wenn es gut läuft, kommt kurze Zeit später der rettende Anruf: »Ach, sorry, hab’s doch gefunden. Es war bei meiner Schwester!« Na also, wusste ich’s doch!
Fazit: Machen ist wie Wollen – nur krasser
Den richtigen Moment zu verpassen ist leicht, denn den gibt es nur ein einziges Mal. Je länger du Dinge aufschiebst, desto mehr Energie brauchst du, um sie am Ende doch zu erledigen. Also: Weg mit den alten Baustellen – und zwar sofort!
Oder zumindest so tun, als hätte man es fest vor …
PS: Die Weihnachtskarte für den Postboten
Im Dezember hatte ich mir fest vorgenommen, dem netten Postboten eine kleine Freude zu machen. Eine hübsche Karte mit Geld und Milka-Pralinen – eine perfekte Geste! Leider vergessen an Heiligabend. Schon wieder! Im Januar wirkt es irgendwie komisch. Jetzt im Februar erst recht. Aber die Pralinen haben geschmeckt.

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