FOMO – Warum ich mich heute (fast) nicht mehr hetze

FOMO – Fear Of Missing Out – die Angst, etwas zu verpassen. Damals war mein FOMO, dass alle ohne mich Spaß haben, heute ist es der wachsende Stapel ungelesener Bücher, während ständig neue dazukommen. Und dann dieser Drang, statt einfach zu schreiben, erst noch den drölften Workshop zu machen, um besser zu werden – als könnte noch mehr Theorie mich davor bewahren, später zu überarbeiten. So ein Quatsch!

In diesem Artikel geht es um meine ganz persönlichen FOMO-Momente und wie ich versuche, sie schneller zu entlarven, bevor sie mich komplett lahmlegen. Denn wenn ich eines gelernt habe: Wer immer nur Angst hat, etwas zu verpassen, verpasst am Ende vor allem eins – das, was jetzt gerade möglich wäre.

Partys: Du bist nicht du, wenn du nicht dabei bist

Ich fange mal in meiner Jugend an: Früher dachte ich, es sei meine bürgerliche Pflicht, bei jeder Party dabei zu sein – und zwar bis zum bitteren Ende. Und zwar jedes Wochenende. Denn: Was, wenn genau DIESE Nacht die eine unvergessliche wird? Kein Event war zu klein (YX hat die neue Platte von Judas Priest gekauft), kein Anlass zu unbedeutend (ich habe mein Auto gewaschen). 

Damals auf dem Land juckte es niemanden, wie viel man trank – Hauptsache, man hielt durch. Den Begriff „Komasaufen“ gab es noch nicht, aber wer Apfelkorn aus einem Wasserglas getrunken hat, weiß, was ich meine. Instagram? Zum Glück Fehlanzeige! Sonst gäbe es heute wahrscheinlich Beweisfotos von mir und meinen Freunden, wie wir um 5 Uhr morgens an eine …

Ich erinnere mich an Übelkeit, die gefühlt bis nach Meppen reichte – und das nicht nur einmal. Selbst die alte Fernsehwerbung „Darauf einen Dujardin!“ oder „Wo ist der Deinhard?“ (ja, damals lief noch Alkoholwerbung im TV!) hat mir so den Magen umgedreht, dass ich panisch das nächste Klo ansteuerte. Fahrradstürze mit ausgeschlagenen Zähnen und blutigen Knien waren völlig normal, aber keine meiner Partys hat mein Leben in eine Mischung aus Hangover und einer durchgeknallten Rockstar-Legende verwandelt.

Heutzutage lebe ich bestens mit der Erkenntnis, dass Smalltalk mit manchen Leuten nicht selten eine goldene Himbeere für die schlechteste Inszenierung verdient. Und ja, auch heute wie damals gibt es diese selbsternannten Superstars, die ihre eigene Omnipräsenz für einen gesellschaftlichen Grundpfeiler halten. Die, die auf jedem Event zwanghaft ihren Status als unverzichtbarer Mittelpunkt zementieren und dabei unterschwellig FOMO verbreiten, wie Luftballon verteilende Kommunalpolitiker in der Fußgängerzone: „Wie, du bist nicht dabei?!“ rufen sie entsetzt, als hätte ich gerade verkündet, künftig mit den Zeugen Jehovas von Tür zu Tür zu ziehen. Dann denke ich: Viel Spaß damit! Diese Sorte Mensch wird nie aussterben – keine Sorge.

Kindergarten: Mit Klebepistolen bewaffnete Bastelmütter 

Als meine Kinder klein waren, dachte ich, es gehöre zur elterlichen Champions League, jede Aktivität mitzunehmen. Sozialkontakte, frühe Förderung, mit Spaß – die perfekte Trias für eine gelungene Entwicklung meiner Lütten, oder?

Muahahaha … hust.

Die Wahrheit? Zwei von meinen drei Kindern wollten gar nicht da sein. Ich auch nicht. Mein Highlight? Diese Bastelveranstaltungen, bei denen ich auf viel zu kleinen Kinderstühlchen kauerte und mit hypermotivierten Playdate-Managerinnen über die moralische Tragweite von Trinkpäckchen und die CO₂-Bilanz von Brotdosen debattierte. 

Während ich verzweifelt versuchte, meiner Laterne wenigstens eine grob erkennbare Form zu geben, erschuf die Mutter neben mir mit ihrer Heißklebepistole bereits ein derart opulentes Kunstwerk, dass selbst Schloss Neuschwanstein sich verschämt hinter einer Tupperdose versteckt hätte. Nicht jede Laterne oder Schultüte muss selbst gebastelt werden. Meine Meinung! Dafür hat man doch die Patentanten, oder nicht? Vielen Dank an dieser Stelle, Marion 🙏🥰

Wo wir gerade beim Thema sind – hat aber nix mit FOMO zu tun:

Am schlimmsten waren die allgegenwärtigen Warnhinweise am Eingang: „Achtung Läuse!“„Achtung Windpocken!“„Achtung Magen-Darm!“ – eine Galerie der Seuchen. Doch einige ehrgeizige (oder schmerzhaft realitätsresistente) Eltern hielten es trotzdem für eine brillante Idee, ihren fiebernden Nachwuchs mit den Worten „Ach, das ist nur ein bisschen Schnupfen“ in die Kita zu schleusen. Und so zog sich das Elend endlos hin wie schlecht getimte Staffelübergaben bei einem Marathon voller Erkältungsviren und verlausten Köpfen.

Zumba: Jam-Sessions und die Wahrheit dahinter

Ich liebe Zumba. Wirklich. Aber als ich anfing, dachte ich, ich müsse mich voll reinhängen. Jede Jam-Session, jede Masterclass, jede neue Choreo – alles mitnehmen! In meiner Vorstellung waren Jam-Sessions das exklusive Treffen voller Inspiration, bei denen ich die besten Choreos lernen konnte. Spoiler: War es nicht.

Die Realität? Ich habe stundenlange Autofahrten hinter mich gebracht, um mich mit 30 weiteren Instructoren in einer viel zu großen, eiskalten Turnhalle warmzuhopsen – oder alternativ in einem winzigen Klassenzimmer, in dem noch hastig die Tische an die Wand geschoben wurden. Manchmal landeten wir auch in einem muffigen Kneipensaal, der nach abgestandenem Bier und gescheiterten Lebensträumen roch. Und wofür das Ganze? Für schlappe 40 Dollar pro Session habe ich versucht, mir fünf Choreos ins Hirn zu prügeln. Spoiler: Ich konnte mir höchstens eine der fünf merken!

Und weil das noch nicht genug war, gab es den obligatorischen Zumba-Shop mit den neuesten Outfits – unverzichtbar für die „Front-Mädels“! Ich rede von den von Kopf bis Fuß in Zumba gekleideten, hyperaktiven Hupfdohlen in der ersten Reihe, die jeden Move mit einem unsäglichen ‚Whoop Whoop‘ unterstreichen mussten.

Nach vier Sessions hatte ich genug von dem Quatsch. Zumba macht mir immer noch genauso viel Spaß wie damals – nur ohne den Stress und das ständige Gefühl, irgendwas zu verpassen. Danke, YouTube.

Schreibkurs: Wie ich die Kunst des Prokrastinierens perfektionierte

Ein Jahr lang habe ich einen Schreibkurs belegt, der mir so viele Unterkurse bot, dass ich am Ende eher Projektmanagerin meiner eigenen Fortbildung war als Schriftstellerin. Schließlich habe ich dafür bezahlt, also will ich auch etwas davon haben. Klingt nur fair, oder? Immerhin gibt es ja genug Dinge, die ich unbedingt lernen muss, um endlich das produktive Leben zu führen, von dem ich immer träume. Logisch. Hier eine kleine Auswahl:

  • Journaling? Klar, Selbstreflexion schadet nie!
  • Resilienz? Absolut – ich bin ein Kämpfer! 
  • Money-Mindset? Na sicher doch, think big!
  • Selfpublishing? Her damit! 
  • Marketing-Strategie? Macht mich nicht dümmer!
  • Zeitmanagement? Kann ich brauchen (dringend!) 

Schreiben kam irgendwie zu kurz. Der Kurs war top, aber ich habe eine wichtige Lektion gelernt: Nur weil’s ein Angebot gibt, heißt das nicht, dass man es annehmen muss. Ach ja, mein Buch? Lektoriert. Veröffentlicht? Noch nicht. Wie war das mit dem Self-Publishing-Kurs?

Buchprojekt: Willkommen im Wartezimmer meines Lebens

Oh, was haben wir nicht alles zusammen erlebt! Erste Ideen, Charakterentwicklung, die ersten Kapitel. Und dann? Habe ich es liegen lassen. Jetzt schaut es mich aus der Ferne an wie ein trauriger Hund, der darauf wartet, dass ich endlich wieder mit ihm spazieren gehe. Ich verspreche ihm, dass ich bald zurückkomme – morgen, nächste Woche, vielleicht nächsten Monat?

Lesen: Der Stapel wächst linear zum schlechten Gewissen

Neben meinem Lesesessel wächst ein Bücherstapel, der mittlerweile aussieht wie der schiefe Turm von Pisa – nur mit mehr Schuldgefühlen. Sieben Bücher liegen dort. Sieben! Und jedes Einzelne schreit förmlich nach Aufmerksamkeit: „Du hast mich doch gekauft, weil du meinen Inhalt nicht erwarten konntest! Warum hast du mich gekauft? Warum schenken lassen, wenn du uns nicht liest?“

Worauf warten?

Tja, was soll ich sagen? Ich bin leider gerade schwer am Netflix-Virus erkrankt – die Serienmarathons haben mich voll im Griff. Außerdem blogge ich. Jeden Tag setze ich mich hin, tippe, lache über meine eigenen Witze (jemand muss es ja tun) und freue mich über jeden Kommentar, der mir sagt, dass ich mit meinen Texten einen Nerv getroffen habe.

Zeit: Pause drücken satt skippen

Warum lasse ich es zu, dass mein innerer Schweinehund mir jedes Mal, wenn ich auf meinen Bücherstapel schaue oder über die tausend Story-Ideen nachdenke, mit einem breiten Grinsen wohlwollend auf die Schulter klopft? Ich schwanke ständig zwischen dem Drang, produktiver und kreativer zu sein, und der traurigen Realität, dass ich bei all meinen grandiosen Plänen oft nicht aus dem Quark komme. 

Während ich darüber nachdenke, wie toll es wäre, Zeit zu haben. Moment… die habe ich ja! Genau diese Zeit könnte ich jetzt doch nutzen! Allein mir fehlt manchmal der Antrieb. Liegt es am Wetter? Oder einfach an der Tatsache, dass ich meinen eigenen Ansprüchen nicht genüge? Es sind schließlich meine hausgemachten Leiden, die keiner außer mir kennt.

Fazit: Leben ohne FOMO – eine Anleitung zum Glück

Das Leben ist zu kurz, um es mit Dingen zu füllen, die uns nicht glücklich machen. FOMO ist ein Dieb – er klaut uns Zeit, Energie und oft auch Geld. Der Trick? Zu erkennen, dass das, was du verpasst, dir oft mehr gibt als das, was du mitnimmst. Also: Bleib mal zu Hause, sag öfter „Nein“ und freu dich über deine Cosy-Klamotte und den Luxus, einfach nichts zu tun müssen. Die neueste Netflix-Serie oder dein gerade angefangenes Buch nebst Kuscheldecke reichen völlig aus. Das, was du vermeintlich verpasst, könnte das Beste sein, was du je nicht gemacht hast. Note to myself: Den letzten Satz sollte ich auf T-Shirts drucken lassen!

Skechtnote ✍️

8 Kommentare

  1. Liebe Kerstin
    Wenn Dein Artikel gut unterhalten soll, passt er so. Er ist gut zu lesen, viel zum grinsen, macht Spaß, wie Du auch Dich selbst auf die Schippe nimmst. Ja, gerne ein helleres Foto zu Beginn. Ja, die Kindergartenmütter sind ein sehr spezielles Volk. Ich war auch immer froh, wenn ich in Deckung gehen konnte. -Viele Grüße Andrea

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